Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)

Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien 15 zu schaffen. Es ist nun das Anliegen dieser Arbeit, in Begrenzung auf ein bestimmtes, jedoch im Kreuzfeuer der Rivalität gegensätzlicher Mächte­gruppen stehendes Gebiet, nämlich Albaniens, die Verflechtungen politischer und kirchlicher Interessen in der dem ersten Weltkrieg vorangehenden Epoche des Imperialismus aufzuzeigen11). Der räumliche Bereich, in dem das Schutzrecht von Seiten der österreichisch-ungarischen Monarchie um 1900 faktisch geübt wurde, umfaßte auf dem Gebiete der europäischen Tür­kei Bulgarien, Albanien und Mazedonien, im Orient die Zentralafrikanische Mission, die oberägyptische Franziskanermission und die katholischen Kopten in Ägypten 12). Die Wahrung des Kulturprotektorates war in Frank­reich eine nationale Aufgabe, an der nicht einmal die geschworenen Feinde der Kirche und ihres Oberhauptes zu rütteln dachten; für Österreich- Ungarn bedeutete sie ein vom Staatsoberhaupt erworbenes Recht, das zu bewahren der jeweilige Minister des Äußeren für seine Pflicht erachtete13); eine derartige Popularität wie in Frankreich besaß das Kultusprotektorat nicht. Die Gründung einer Gesellschaft zur Erhaltung und Verteidigung des Protektorates, wie sie in Frankreich 1893 erfolgte14), wäre in der österreichisch-ungarischen Monarchie unmöglich gewesen. Der Ballhaus­platz wußte jedoch den Wert des Kultusprotektorates für das Ansehen des Staates im Ausland wohl zu schätzen, man verkannte auch nicht die Pflich­ten, die mit der Ausübung des Schutzrechtes verbunden waren. Es bot nicht nur, wie Goluchowski dem Ungärischen Ministerpräsidenten Szell 1902 auseinandersetzte 15), die Möglichkeit mit der dortigen katholischen Bevölkerung in Fühlung zu bleiben und in unauffälliger Weise politische Informationen einzuziehen, es bot auch eine nicht zu unterschätzende Handhabe zur Bekämpfung der von auswärtigen Mächten hervor gerufenen und genährten Strömungen, die unsere Interessen in jenen Gegenden be­drohen. Es erschien Goluchowski als ein in politischer Hinsicht wertvolles Recht, auf dessen intensivere Ausnützung er in Hinkunft bedacht sein wollte. 11) Der Gesamtfragenkomplex des österreichischen Schutzrechtes in der Türkei konnte selbstverständlich im Rahmen dieser Festschrift nicht behandelt werden, er soll jedoch zum Gegenstand einer selbständigen Veröffentlichung gemacht werden. Die Fülle des im Haus-, Hof- und Staatsarchivs in den Staaten­abteilungen, der Staatskanzlei, dem Politischen Archiv und der Administrativen Registratur des Ministeriums des Äußern sowie den Gesandtschafts- und Konsu- latsarchiven erliegenden Quellenmaterials erzwangen diese Beschränkung. Es sei an dieser Stelle dem Bundeskanzleramt für die mit ZI. 22.618—Pr. 1 b/53 (AZ1. 1306/53) erteilte Benützungsbewilligung für die über der Benützergrenze liegen­den Bestände herzlichst gedankt. 12) Politisches Archiv (PA) XII Türkei Fz. 271, Memoire des Hofrates Fuchs über das Kultusprotektorat (1902 Mai). 13) Vgl. J. Sch midiin, Papstgeschichte der neuesten Zeit (1936), S. 516. 14) PA XII, 271. Note Goluchowski an Szell, 1902 Mai 27 (Konz.). 13) Vgl. unten S. 36.

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