Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

GEYER, Rudolf: Ein Prozeß um die Gründungsurkunde des Wiener Heiligengeistspitals

132 Rudolf Geyer werde. Da die Einverleibungsurkunde den Bischof verpflichte, überdies es zu seinen Amtspflichten gehöre, alle Rechte und Gerechtigkeiten zurück­zubringen, ersuche er die Stadt, diese Gründe samt dem dazu gestifteten Burgrecht abzutreten oder ihm in Befolgung der beiliegenden kaiserlichen Resolution ihren titulus possessionis bekanntzugeben. Der Stadtrat übertrug, offenbar weil es sich um eine Spitalsstiftung handelte, die Untersuchung und Berichterstattung den Vorsteherin des Bürgerspitals, die mit Fleiß und Eifer aus ihren Urkunden und Grund­büchern alle Erwähnungen des Heiligengeistspitals zusammenholten, zum eigentlichen Thema aber natürlich nichts beibringen konnten3). Ein Er­suchen der Stadt um Fristerstreckung beantwortete der Bischof zunächst (27. Mai 1652) mit der Wiederholung seiner Forderung auf eheste Über­gabe; schließlich mit der Einreichung seiner Klageschrift (vom 2. Sep­tember 1652) an die Regierung. In dieser Klageschrift4) wiederholt der Bischof alle in seinem Schrei­ben vorgebrachten Forderungen und Begründungen. Wieder verweist er auf die kaiserlichen Erlässe, besonders das Generale vom 9. März 1634 5), das seines Erachtens die Möglichkeit biete, dem Bistum alle ihm in der protestantischen Zeit entfremdeten Rechte zurückzugewiinnen. Bürgermeister und Rat geben in ihrer Beantwortung zu bedenken, daß seit der Stiftung im Jahre 1211 mehr als 400 Jahre vergangen und in dieser Zeit die Grenzen und Marksteine, Häuser und Gärten wohl verändert worden seien; sie bitten daher um Anordnung einer Augenscheinsvor­nahme, um die materia litis auszumachen. Der Bischof lehnt dies mit der Begründung ab, daß der Fundationsbrief die Materie ohnedies ordentlich 3) Der Bericht gibt eine Übersetzung- der wesentlichen Stellen des Stift­briefs des „Erzherzogs“ Leopold. Zur Feststellung „ob und wo dise Widen also beschribener lige“, schlagen sie die Vornahme eines Augenscheins vor. Die Tat­sache der Stiftung des Spitals und seiner Übergabe an das Bistum gehe aus den Urkunden hervor, auch die „alten Historien“ über Österreich und Wien, beson­ders aber „der Lazius lib. 3-tio“ erzähle von der Belagerung von 1529 und der Zerstörung der Vorstädte, auch der „Comenda von S. Spiritus und S. Anthoni“. Wer aber das Stift jetzt besitze, wissen sie nicht. Es wäre zweckdienlich, den Leuten auf der Wieden ihre Gewährabschriften abzufordern, denn in ihnen müsse der Grundherr genannt sein. Übrigens fände sich in den (vorgelegten) Büchern, daß die Stadt in den Jahren 1392, 1528 und 1529 auf der Wieden Steuern eingenommen habe; ob dieser Teil der Wieden dem Heiligengeiststift gehöre, werde der Lokalaugenschein erweisen. Man sieht, wie unorientiert noch damals die Öffentlichkeit über die grundherrlichen Besitzverhältnisse war, da nicht einmal die Stadt in ihrem eigenen Burgfried darüber Bescheid wußte. 4) Sie fehlt im Akt 20 ex 1715, ihr Inhalt geht aber aus der weiteren Akten­lage hervor. 5) Über die Rückstellung entfremdeter geistlicher Güter.

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