Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

GEYER, Rudolf: Ein Prozeß um die Gründungsurkunde des Wiener Heiligengeistspitals

Ein Prozeß um die Gründungsurkunde des Wiener Heiligengeistspitals 133 auszeige6). Die Stadt beharrt aber auf ihrem Antrag7) und so findet, allerdings erst drei Jahre später, der Augenschein tatsächlich statt. Die dazu verordnete Regierungskommission pflichtete in ihrem Bericht 8 9) dem Bischof bei: die im Stiftbrief beschriebenen Gründe hätten sich bei der Besichtigung „augenscheinlich befunden“ und stimmten mit dem vor­gebrachten Extrakt aus dem bischöflichen Grundbuch überein. Die Stadt dagegen bezeichnet die Angaben des Stiftbriefes über die limites, beson­ders aber über die angeblich angrenzenden „fines et termini ecclesie Sancti Stephani“ als „ganz obscur“, da doch St. Stephan in der Stadt liege und niemals an die Heiligengeistgüter gegrenzt haben könne. Diese erste Phase der Auseinandersetzungen endet mit einem Regierungsdekret vom 7. April 1656, das der Stadt formell die Abtretung der vom Bischof be­gehrten Gründe aufträgt. Der nun folgende Bericht von Bürgermeister und Rat an die Regie­rung ») geht bereits auf das Meritorische der Klage ein. Sie widersprechen feierlich der Behauptung, daß sie etwas, das dem Bistum iure dominii zu­gehört diesem entzogen hätten und besäßen. Der als Beweisstück vorge­brachte Stiftbrief sehe eher einer von Gott weiß wem geschriebenen Scar- deggen als einem glaubwürdigen Dokument gleich; er sei weder von Otto­kar noch einem Kanzler oder Sekretär unterschrieben, ohne Siegel oder dergleichen Legalität. Aber auch wenn er echt wäre, werde durch ihn nicht erwiesen, daß das „Burgrecht“ auf der Wieden zu den Jura des Spitals gehört habe und von diesem auf das Bistum übergegangen sei. Schließlich könnte die Stadt, falls sie wirklich etwas von dem besäße, was der Bischof beansprucht, sich der „Exemptio legitimae praescriptionis immemorialis temporis“ bedienen und sich auf ihre „unvordenkliche Possess“ berufen, wäre daher nicht verpflichtet, darüber Rede und Ant­wort zu stehen. Da der Bischof sich mit diesem Bericht nicht zufriedengab, verfügte die Regierung (16. November 1656) die Aufnahme des ordentlichen Prozeß­verfahrens mit je zwei Schriftsätzen beider Streitteile. Dieser Schrift­wechsel, in den juristischen Formen und Formeln jener Zeit gehalten, wort­reich und weitschweifig, macht nicht immer den Eindruck sachlich kon­sequenter Beweisführung. Umso tiefer greifen die federführenden Anwälte der beiden Parteien in das unerschöpfliche Reservoir des juristischen Schrifttums des 16. und 17. Jahrhunderts, aus dem sie mit endlosen Zitaten aufwarten. Mit Übergehung dieser unwesentlichen Beigaben und der häufi­gen Wiederholungen gebe ich den Inhalt der einzelnen Schriftsätze wieder. 6) Pr. 6. März 1653. Die Schriften der Prozeßführenden sind als Berichte an eine höhere Instanz nicht datiert, erhalten nur beim Einlangen in der Kanzlei der Regierung das Präsentationsdatum. 7) Pr. 3. April 1653. 8) Pr. 27. Jänner 1656. An ihrer Spitze stand der Abt von Heiligenkreuz. 9) Pr. 16. November 1656.

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