Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

GEYER, Rudolf: Ein Prozeß um die Gründungsurkunde des Wiener Heiligengeistspitals

Ein Prozeß um die Gründungsurkunde des Wiener Heiligengeistspitals. Von Rudolf Geyer (Wien). Im Archiv der Stadt Wien erliegt ein umfangreiches Konvolut von Akten eines Prozesses, den das Bistum Wien im Jahre 1652 vor der nieder­österreichischen Regierung gegen die Stadt Wien anstrengte uind der erst nach einer Dauer von 36 Jahren, im Jahr 1688, sein Ende fand1). Gegen­stand des Prozesses war die Ausübung burgfriedlicher (ortsherrlicher) Befugnisse in der Vorstadt Wieden durch die Stadt Wien, durch welche der Bischof seine Rechte als Inhaber einer der größten Grundherrschaften auf der Wieden gekränkt erachtete. Interessant ist das Studium dieser Aus­einandersetzung einmal von der stadtgeschichtlichen Seite her, weil es einen Einblick in das Werden und die Ausgestaltung des Wiener städtischen Burgfrieds gewährt, andererseits wegen der darin abgeführten Kontro­verse über die Echtheitsmerkmale einer mittelalterlichen Urkunde, in einer Zeit, da man, weit entfernt von systematischen diplomatischen Kenntnissen, Urkundenkritik lediglich mit Hausverstand und Fingerspitzengefühl betrieb. 1. Der Prozeß. Eingeleitet wurde der Streitfall durch ein Schreiben des Bischofs Philipp Friedrich (Grafen Breuner) vom 26. September 1651 an die Stadt, in dem er ausführt2): Herzog Leopold habe im Jahr 1211 das Hofspital zu Ehren des Heiligen Geistes samt einer Kapelle und mit einer Kirche zu Ehren des heiligen Antonius gestiftet und ihm das völlige Eigentum der behausten und unbehausten Gründe „auf der Wien von der Wieden herab“ samt dem Burgrecht und der obrigkeitlichen Jurisdiktion über alle Inwohner daselbst geschenkt; Ottokar, König iin Böhmen und Herzog zu Österreich, habe 1262 diese Stiftung bestätigt, König Ferdinand sie 1533 mit Zustimmung des päpstlichen Nuntius dem Bistum inkorporiert und zugeeignet. Diese Besitzungen, Rechte und Gerechtigkeiten seien dem Bis­tum seither entfremdet worden, besonders habe sich die Stadt Wien das „Burgrecht“ angeeignet, wodurch nicht nur das Bistum zu Schaden komme, sondern auch die Absicht des Stifters verletzt und unwirksam gemacht ') Hauptarchiv, Akt 20 ex 1715. 2) Archiv der Stadt Wien, Bürgerspitalsakten, Fasz. 57, Nr. 3. 9*

Next

/
Oldalképek
Tartalom