Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich

Zeitgeschichtliche Literatur 431 unternahm, gibt in seinen Erinnerungen einen eingehenden Bericht über Vorgeschichte und Verlauf der Verhandlungen37). Er bestreitet energisch jede Anschlußabsicht und beklagt die Politik Frankreichs, die zur Ver­hinderung der Union den Zusammenbruch der Kreditanstalt herbeiführen half. Damit sei der Weg zu Paneuropa verschüttet und der Aufstieg Hitlers ermöglicht worden. Das Buch enthält auch einige Ausfälle gegen die österreichische Politik, vor allem gegen Seipel, der den Plänen Schobers ablehnend gegenüberstand. Etwas ruhiger als Curtius, der bald nach dem Scheitern des Planes demissionieren mußte, beurteilen ganz kurz der ehemalige preußische Ministerpräsident Braun und Staatssekretär Meissner die geschilderten Ereignisse in ihren Erinnerungen38). Ein wenig phantastisch und von den anderen Darstellungen abweichend ist der Bericht des Journalisten Stern-Rubarts, wonach der Plan infolge einer Wiener Indiskretion und des ungeschickten Kommuniqués von Schober gescheitert sei zu einer Zeit, da Briand noch nicht informiert war39). Von den während des Krieges erschienenen Memoiren des Heimwehr­führers und Vizekanzlers Starhemberg liegt derzeit leider nur eine Auswahl in deutscher Übersetzung vor40), deren tendenziöser Charakter durch die Interpretationen des Begleittextes unterstrichen wird. Eine voll­ständige Ausgabe in Österreich wäre sehr zu wünschen, da das Buch mit unbekümmerter, seinen Verfasser charakterisierender Offenheit eine Menge interessanter Einzelheiten bringt41). Für die Geschichte des Anschlusses sind die Aufzeichnungen des letzten österreichischen Bundeskanzlers bis 1938 42) nicht von der Bedeutung, die man fürs erste von ihnen erwartet hätte. Sie machen der persönlichen Lauterkeit ihres Verfassers mehr Ehre als seiner politischen Einsicht. Was er über den Anschluß selbst zu berichten weiß, ist im wesentlichen bereits in Nürnberg bekannt geworden. Im übrigen ist der Tenor des Werkes derselbe wie in seinem 1937 erschienenen 43 * 4), nur daß sich die Argumente modifiziert haben. Was er im zweiten Teil über die österreichische Politik 37) Julius Curtius, Sechs Jahre Minister der Deutschen Republik. Heidelberg 1948. Die für die vorliegende Frage wichtigen Kapitel VI und XII sind als Broschüre „Bemühungen um Österreich. Das Scheitern des Zollunionsplans von 1931“ auch gesondert erschienen. 3S) Otto Braun, Von Weimar zu Hitler. Hamburg 1949 und 0. Meissner, Staatssekretär unter Ebert—Hindenburg—Hitler. Hamburg 1950. 39) Edgar Stern-Rubarth, Drei Männer suchen Europa. Briand— Chamberlain—Stresemann. München 1947, S. 287 ff. Die englische Ausgabe er­schien bereits unter dem Titel „Three men tried ...“ 1939 in London. 40) Jacques H annak, Der Fürst, der sein Land verkaufte. Aus den Er­innerungen Ernst Rüdiger Starhembergs. Wien (1949), dasselbe erschien auch in der Zukunft 1949, Heft 4, April, S. 104 ff. Kürzere Auszüge im Anhang der deutschen Ausgabe der Sweetschen Dokumente v. Sailer, s. oben S. 427. 41) Die englische Ausgabe „Between Hitler and Mussolini“, London 1941, ist in Wien kaum zugänglich, mir lag nur die schwedische Übersetzung „Mellan Hitler och Mussolini“, Stockholm 1942, vor. 42) Kurt v. Schuschnigg, Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot, Aufzeich­nungen des Häftlings Dr. Auster. Zürich (1947), die englische Übersetzung von Franz v. Hildebrand „Austrian Requiem“, London 1947, ist nicht voll­ständig und mehr auf das eigentlich Memoirenhafte beschränkt. 4S) Kurt v. Schuschnigg, Dreimal Österreich. Wien 1937.

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