Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich

432 Literaturberichte vor 1938 schreibt, wird noch problematischer, wenn man es mit der unter dem Druck der Gestapohaft entstandenen Originalfassung vergleicht44). Über sein Auftreten in Berchtesgaden gegenüber Hitler gibt es noch die Zeugnisse von Meißner und Hitler selbst45), die einigermaßen von seiner Darstellung abweichen. Die menschlich ergreifenden Tagebuchnotizen und Aufzeichnungen aus der Haft bieten dem Historiker nur geringe Ausbeute. So wird man — auch wenn man sich von den auf politische Ressentiments zurückgehenden Kontroversen, die das Erscheinen des Werkes auslöste48), freihält — doch mehr die kultivierte Art der Darstellung als die Ergiebig­keit des Inhalts zu schätzen wissen. Nicht so bedeutend wie die den Anschluß und seine Vorgeschichte behandelnden Aktenausgaben ist im allgemeinen das bisher vorliegende Memoirenmaterial von deutscher Seite. Sowohl die Erinnerungen Meiss­ners44 45 46 47) als auch Weizsäckers48) sind hinsichtlich Österreichs wenig aufschlußreich. Auch Dirksen49), der 1938—39 deutscher Botschafter in London war, kann nur die aus anderen Quellen bereits bekannte Ein­stellung der englischen Politik von Halifax und Henderson bestätigen, die sich prinzipiell mit dem Anschluß abgefunden hatten. Dasselbe bezeugt der ehemalige Chefdolmetscher im deutschen Auswärtigen Amt50), dessen Er­innerungen auch Einzelheiten zum Zollunionsplan sowie über die Zurück- drängung des italienischen Einflusses in Österreich als Folge des Abbes- sinienkrieges bringen. Die entscheidende Rolle, die die Passivität Groß­britanniens und Italiens für das Gelingen des Anschlusses gespielt hat, wird auch in den beiden Werken von Erich Kor dt hervorgehoben51). Er weilte damals gerade mit Ribbentrop in London und schildert die für diplomatische Begriffe grotesken Begleitumstände des Anschlusses, über den Hitler seinen Außenminister nicht einmal zu informieren für nötig fand. 44) Originalfassung der Memoiren Schuschniggs „Des Dritten Österreichs Weg zur Ostmark. Aufzeichnungen, die für meinen Buben bestimmt sind. Nie­dergeschrieben in den Monaten September bis November 1938“ (Maschinschr.). Vgl. Österr. Volksstimme, Nr. 126, vom 1. Juni 1947. Weg und Ziel, 5. Jg., 7.18. Heft, Juli-August 1947, S. 481 ff., auch 4. Jg., 3. Heft, März 1946, S. 142. Dagegen Österreichische Monatshefte, 2. Jg., 11. Heft, August 1947, S. 468 ff. 45) Dr. Henry Picker, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941—1942. Hgg. von Gerh. Ritter. Bonn 1951, S. 156, Nr. 75. 46 Vgl. Österreichische Monatshefte, 2. Jg., Heft 2, November 1946 und Heft 7, April 1947, S. 245 ff. Die Zukunft, 2. Jg., Heft 4, April 1947, S. 97 ff. (über eine New Yorker Radiodiskussion), Wort und Wahrheit, 2. Jg., Heft 10, Okt. 1947, S. 616 ff. 47) S. o. S. 431. 48) Ernst v. Weizsäcker, Erinnerungen. München 1950. 40) Herbert Dirksen, Moskau—Tokio—London. Erinnerungen und Be­trachtungen zu zwanzig Jahren deutscher Außenpolitik 1919—1939. Stuttgart 1949. 50) Paul Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne 1923—45. Erlebnisse des Chefdolmetschers im Auswärtigen Amt mit den Staatsmännern Europas. Wien 1950. 51) Erich Kor dt, Wahn und Wirklichkeit. Die Außenpolitik des Dritten Reiches. Versuch einer Darstellung hgg. unter Mitwirkung von Hans Heinz Abshagen. Stuttgart 1948, und Nicht aus den Akten. Die Wilhelmstraße im Frieden und Krieg. Erlebnisse, Begegnungen und Eindrücke 1928—1945. Stutt­gart 1950.

Next

/
Oldalképek
Tartalom