Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich

508 Literaturberichte machte, bedingt war. Sie sieht deutlich den Unterschied gegenüber dem straff organisierten Preußen und die Unmöglichkeit, ein modernes Heer aufzustellen bei dem geringen Einfließen der Kameralerträgnisse in die Staatskasse. Sie erkennt, daß die Zeit der großen Schenkungen an die Kh-che vorbei sei, daß aber auch die für den Staat so schädlichen Freiheiten der Stände beschnitten werden müßten. So verfolgt man in diesen Denk­schriften den Weg zu den neuen Behörden: dem Directorium in publicis et cameralibus statt der getrennten und oft gegeneinander wirkenden Hof­kanzleien, die davon abgelöste oberste Justizstelle; man sieht das Ringen um das neue Kontributionssystem und erlebt das Werden des modernen Staates mit. Die Einzigartigkeit dieser Schriftstücke rechtfertigt durchaus die durch Kallbrunner vollzogene Neuherausgabe des durch Alfred von A r n et h im Jahre 1871 (A. ö. G. 47) schon abgedruckten Textes, der dort fast in Vergessenheit geraten war. Die Einleitung des mittlerweile leider verstorbenen Herausgebers zeichnet in kurzen Strichen den nötigen histo­rischen Hintergrund zum Verständnis der Schriften, was ihm auf Grund der Publikationen zur Geschichte der österreichischen Zentralverwaltung, an denen er selber mitgearbeitet hatte, in ganz anderem Maße möglich war, als Arneth. Während Arneths Text ganz buchstabengetreu gehalten war, ist der Kallbrunners teilweise modernisiert; es geschah dies nach Prinzipien, die offenbar in Vereinbarung mit dem Verfasser des sprachkundigen Nach­wortes festgelegt worden sind: Die Unregelmäßigkeiten der Rechtschrei­bung wurden beseitigt, „um den modernen Leser nicht durch solche Schrullen und Nachlässigkeiten zu stören“ (S. 114, § 5). Ist dieses ab­fällige Urteil B i e n e r s über die gewiß in jener Zeit noch sehr ungleich­mäßige und wenig gepflegte „Rechtschreibung“, die jedoch für die For­schung auch ihrerseits interessant wäre, vielleicht etwas zu hart ausge­fallen, so ist deren Modernisierung unter Beibehaltung des originalen Satz­baues und der charakteristischen Wort- (bzw. Klang-) formen sowohl durch die populäre Bestimmung des Büchleins, wie auch durch das besondere Interesse des Germanisten für diese Satz- und Wortformen, die auf diese Weise umso deutlicher hervortreten, erklärt und gerechtfertigt. (So ist z. B. das Wort „Maaß-Reguln“ mit Maßreguln und die Endungen ,,-nüß“ oder ,,-nuß“ mit -nüs oder -nus wiedergegeben). Biener bezeichnet die Sprache, allerdings ohne auf die Frage der Konzipierung einzugehen, als Kanzleideutsch der Kaiserin und schließt dieser Feststellung eine kurze Entwicklungsgeschichte dieses Sprachtypus an. Sein Nachwort bringt über­dies den Hinweis auf manche abhanden gekommene, hier noch ersichtliche sprachliche Besonderheiten, z. B. schwache Konjugationsformen wie „er denckete“ oder „sie Schlageten“, oder den bis ins 19. Jahrhundert noch nachweisbaren Ausfall von Endsilben bei koordinierten Verbindungen (Billig- und Unentbehrlichkeit etc.), ferner auf die aus dem Mittelalter übernommenen, einfacheren treppenförmigen Satzformen im Gegensatz zu der klassisch-antiken und humanistischen Form der Schachtelsätze. Es ist sicherlich dieses Versuches wert, einem Leserkreis von gebildeten Laien

Next

/
Oldalképek
Tartalom