Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)
SANTIFALLER, Leo: Über die Urkunde für das Breslauer St. Vinzenz-Stift vom Jahre 1139–1149
14 Leo Santifaller aus historischen Berichten und andererseits aus einem alten Güterverzeichnis bzw. einem sogenannten Gründungsbuch (liber fundationis) entnommen und in die vorliegende, einer Urkunde ähnliche Gestalt gebracht worden. M a 1 e c k i22) bezeichnet den ersten Teil als Notiz, die sich auf ein im Jahre 1139 geschehenes Ereignis beziehe und sicherlich auch bald nachher niedergeschrieben worden sei. Der zweite Teil, die Urkunde des Herzogs Boleslaus, ist nach Malecki die authentische Gründungsurkunde des Vinzenzstiftes, ausgestellt am Tage der Konsekration. Malecki ist weiter der Meinung, das verlorene Original hätte wahrscheinlich so ausgesehen, wie die heutige Überlieferung. Die Entstehung hätte man sich in folgender Weise zu denken: Herzog Boleslaus hätte die Absicht gehabt, dem Vinzenzstift alle Schenkungen, die sowohl durch ihn wie auch durch andere getätigt worden waren, zu beurkunden; in der nun darüber ausgestellten Urkunde (Teil II) wäre aber die Schenkung des Bischofs Robert von 1139 vergessen worden und um diesen Fehler gutzumachen, hätte man die Notiz von 1139 unter den Text der Boleslausurkunde hinzugeschrieben — dies widerspricht aber allerdings der anfänglich geäußerten Meinung Maleckis, daß die heutige Überlieferung, in der ja das Stück von 1139 am Anfang und nicht am Ende steht, eine getreue Kopie des Originals darstelle. Górka23) hält die Urkunde des Bischofs Robert von 1139, also Teil I, für echt. Er ist ferner der Meinung, daß eine Originalurkunde Boleslaus IV. von 1149 bestanden und im wesentlichen die Form des heute überlieferten, zweiten Stückes gehabt hätte, doch sei die heutige Überlieferung durch eine Reihe von Interpolationen aus der Zeit von 1190—1206 verfälscht. Die Boleslausurkunde in ihrer ursprünglichen Gestalt wäre zugleich mit der Roberturkunde von 1139 als Vorlage für die Bulle Cölestins III. von 1193 nach Rom gesandt worden; im übrigen aber scheint Górka keinerlei Beziehungen zwischen beiden Stücken anzunehmen und geht daher auf Teil I auch gar nicht weiter ein, sondern behandelt und ediert Teil II für sich allein. Die Arbeit Schultes über Kostenblut24) betrifft die allgemeine Charakteristik unserer Vinzenzurkunde sofern, als Schulte die These verficht, im 12. Jahrhundert wären in Schlesien im allgemeinen noch keine Urkunden hergestellt worden. In einer weiteren Untersuchung beschäftigt sich Schulte25) neuerdings und zwar als Ab22) Antoni Malecki, W kwestyi falszerstwa dokumentów (= Zum Problem der Urkundenfälschungen) (Kwartalnik Historyczny 18, 1904) S. 433. 23) Olgierd Górka, Przyczynski do dyplomatyki polskiej XII. wieku (= Beiträge zur polnischen Diplomatik des 12. Jahrhunderts) (Kwartalnik Historyczny 25, 1911) S. 391 ff. (Die interpolierte Urkunde Boleslaws IV. vom 22. Juni 1149). 24) Wilhelm Schulte, Kostenblut. Eline rechtsgeschichtliche Untersuchung (Zeitschrift für Geschichte Schlesiens 47, 1913) S. 209 ff. 25) Lambert (Wilhelm) Schulte, Die angebliche Urkunde des Herzogs Boleslaw IV. vom Jahre 1149. (Zeitschrift für Geschichte Schlesiens 48, 1914) S. 332 ff.