Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 6. (1953)

SANTIFALLER, Leo: Über die Urkunde für das Breslauer St. Vinzenz-Stift vom Jahre 1139–1149

Über die Urkunde für das Breslauer St. Vinzenzstift 13 handlung nur vom zweiten Teil und hält diesen für eine Fälschung, welche Privataufzeichnungen ohne Beweiskraft, wie sie im 12. Jahrhundert in Polen üblich gewesen wären, benützt hätte. In der zweiten Abhandlung 17) trennt er im Anschlüsse an Mosbach beide Teile; sie hätten zwar keine Beziehung zu einander, wären aber bereits in der Vorlage zur Matrica auf einem Pergamentblatt vereinigt gewesen; Teil I wäre eine spätere Notiz, Teil II ein gleichzeitiges Protokoll, doch seien beides keine Urkunden, wohl aber Zeugnisse über den Besitz von Gütern und Rechten, die legal verliehen worden wären und deren Besitz man durch Zeugen erweisen konnte. Krzyzanowski18) folgt in der Hauptsache K§trzynski, doch hätte Teil I nicht den Charakter einer selbständigen Notiz, sondern wäre in der heutigen Form ein Urkundenfragment, dem das Ende fehlt; die Vereinigung beider Teile hätte bereits im Zeitpunkt und im Zusam­menhang mit der Herstellung von Teil II statt gef unden. Piekosinski19) druckt beide Teile getrennt ab und bezeichnet nach Ketrzynski Teil I als Notiz, welche zum Andenken an das betreffende Ereignis und um die­ses vor dem Vergessenwerden zu schützen, sowie als Erinnerung für die Nachkommen auf dem freigebliebenen Raum irgendeines Blattes oder auf dem Deckel einer Handschrift niedergeschrieben worden wäre; Teil II aber sei eine völlig tadellose Urkunde, welche keinerlei Merkmale eines Proto­kolls an sich trage. Schulte20) erklärt bereits in seiner Abhandlung über die Anfänge der deutschen Kolonisation die sogenannte Stiftungs­urkunde Boleslaus III. von 1149, also Teil II, als unecht. In einer weiteren, unserer „Stiftungsurkunde“ gewidmeten Untersuchung21) bezeichnet Schulte die Form der Urkunde als ungewöhnlich, sie spräche für die Unecht­heit des Stückes; beide Teile stünden nur äußerlich und ohne sichtbaren Zusammenhang nebeneinander, doch wäre die Verbindung nicht durch den Matrikaschreiber erfolgt, vielmehr hätte dieser das Stück bereits in der vorliegenden Form im registrum antiquum vorgefunden. Auch die Ana- themformel, welche hier die Korroborationsformel vertritt, sieht er als Beweis für die Unechtheit an. Das Stück wäre nach Schulte erst im 13. oder 14. Jahrhundert, als man das Bedürfnis fühlte, eine Stiftungsurkunde zu besitzen, aus alten privaten Klosteraufzeichnungen und zwar einerseits 17) Wojciech Ketrzynski, Studien über Urkunden des 12. Jahrhun­derts (Rozprawy Akademii Umiej^tnosci Hist. Fii. Ser. 2. tom. 1 (Krakow 18911 S. 229. 238. ls) St. Krzyzanowski, Poczatki dyplomatyki polskiej (= Anfänge des polnischen Urkundenwesens) (Kwartalnik Historyczny 6, 1892) S. 812. t9) Fr. Piekosinski, Monumenta medii aevi diplomatica ius terrestre Polonicum illustrantia (1887) S. 44, 72—74. 20) Wilhelm Schulte, Die Anfänge der deutschen Kolonisation in Schle­sien (= Silesiaca, 1898) S. 71. 21) Wilhelm Schulte, Die angebliche Stiftungsurkunde für das St. Vin­zenzkloster auf dem Elbing (Zeitschrift für Geschichte Schlesiens 37, 1903) S. 286 ff.

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