Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
BENNA, Anna Hedwig: Preces Primariae und Reichshofkanzlei (1559–1806)
Preces Primariae und Reichshofkanzlei 93 des Bischofs von Paderborn 1765 um Überlassung der Nomination der kaiserlichen Prezisten blieben unerledigt37). Grundsätzlich blieb das Erstbittrecht auch in den evangelisch gewordenen Stiften erhalten. Der Westfälische Friede brachte eine grundsätzliche reichsrechtliche Regelung, welche für die Praxis bis 1806 bestimmend war. In Mediatstiftern wurde dem Kaiser das Recht zur Ausübung der Preces zugestanden, wenn er es vor dem 1. Jänner 1624 ausgeübt hatte. In den evangelischen Stiftern stand ihm nur ein Nominationsrecht evangelischer Prezisten zu, in den gemischten war er zur Wahrung des Konfessionsstandes der Kanonikate verpflichtet. Nur in den unmittelbaren Bistümern stand ihm eine Ausübung wie bisher zu 38). Der römische König Josef übte das Erstbittrecht seit seiner Wahl und Krönung 1690 ohne päpstliches Indult aus39). Die Bitten verschiedener Kurfürsten und geistlicher Fürsten um Überlassung des Nominationsrechtes veranlaßte Kaiser Leopold I. und seinen Sohn ein Reichshofratsgutachten einzuholen und die Meinung der Geheimen Konferenz darüber zu hören. Die Sachlage war insofern kompliziert, als der Kaiser selbst ohne Preces Indult sein Erstbittrecht, allerdings nur sehr vorsichtig, auf Expek- tanzen beschränkt40), ausübte und gar nicht beabsichtigte eine Obödienz- gesandtschaft nach der Wahl des römischen Königs nach Rom zu schicken, die die Möglichkeit gehabt hätte' vom Papst die Sanierung seiner eigenen und ein Indult für die Preces seines Sohnes zu erreichen. Die päpstliche Antwort auf die Notifikation der Wahl des römischen Königs war kühl; Alexander VIII. begnügte sich die vollzogene Tatsache zur Kenntnis zu nehmen und sie mit einer Dankmesse in seiner Kapelle zu feiern41). Der in dem Glückwunschschreiben folgende Satz .publiceque in urbe exultationis praeberi iussimus ostentamenta, caetera, quae ad supramemoratam sedem in huiusmodi electionibus spectant, operi utique mandaturi“ 42) erweckte wohl Besorgnis, doch beruhigte sich die Geheime Konferenz selbst damit, man könne in kúriaién Kreisen dessen Bedeutung wohl erfahren43). Das 37) PP. 8, 15. 38) IPO V, § 5. Ubi sacra caesarea maiestas ius primariarum precum exercuit, exerceat etiam imposterum, dummodo decedente Augustanae confessionis addicto, in eius religionis episcopatibus Augustanae Confessionis addictus, ad normán statutorum et observanti idoneus, precibus fruatur- In mixtis vero ex utraque religione seu episcopatibus seu aliis locis immediatis, precibus primariis praesentatus non gaudeat, nisi beneficium vacans religionis consors possederit. Dazu Feine, a. a. 0., S. 60 f. 63. 30) Verzeichnis der Prezisten des römischen Königs Josef I. (PP. 22). Vgl. oben S. 6. 41) Abschrift des Breves Alexanders VIII. (1690 März 11, Rom, St. Maria Maggiore), PP. 22. 42) Ibidem. 43) Votum der Geheimen Konferenz super primariis precibus (1692 Jänner 22) PP. 22.