Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 155 Andrássy wies jedoch diese Befürchtungen zurück, indem er deren Grundlosigkeit betonte86) und damit gab sich Bistic schließlich zufrieden 67). Das Verhältnis Serbiens zu Bulgarien war vielfach unklar. In den Sechzigerjahren hatte Fürst Mihajlo in der Verfolgung seines Planes einer Befreiung der Balkanvölker auch die Bulgaren herangezogen. Unter seinem Schutze sammelten sich die nationalen und revolutionären bulgarischen Elemente in Belgrad, gründeten dort eine eigene Zeitschrift und stellten schon eine bulgarische Legion auf. Rakovski und sein Schüler Karavelov propagierten die Verbrüderung der Serben und Bulgaren. Karavelov schrieb damals „ ... Der Bulgare braucht keinen besseren Bruder zu haben als den Serben und der Serbe keinen größeren Freund als den Bulgaren. In ihrer Eintracht liegt die Freiheit der Südslaven“ 6S). Karavelov entwarf den Plan eines serbisch-bulgarischen Reiches unter dem Fürsten Mihajlo (1867), während diesem Ideal von serbischer Seite gleichzeitig durch die Bündnisse mitGriechenland, Montenegro und Rumänien vorgearbeitet wurde. Auch der radikalste und revolutionärste in diesem Emigrantenkreise, Botev, der die bulgarische Befreiung nicht durch Aufklärung, sondern durch den rücksichtlosen Kampf zu verwirklichen suchte, war doch auch ganz durchdrungen von der Notwendigkeit eines engen Zusammengehens mit den Serben; beide Völker müßten sich verstehen, denn sonst „werden wir uns gegenseitig belügen und verstellen bis zum Momente unseres gemeinsamen und endlichen Unterganges“ 60). Mit der Ermordung des Fürsten Mihajlo verlor jedoch die Bewegung der Balkanvölker ihre Spitze. In Serbien hatte die Regentschaft Ristic- Blaznavac ihre Blicke der Innenpolitik zu gewandt, da sie durch die Ermordung des Fürsten vor die Notwendigkeit gestellt wurde, die Stellung der Dynastie durch eine liberale Verfassung zu festigen. Andererseits trug die Begründung des bulgarischen Exarchates (1870) das Ihrige bei, um die Entfremdung der beiden Völker zu beschleunigen. Auch das vollkommene Versagen des bulgarischen Volkes zur Zeit der orientalischen Wirren enttäuschte gewaltig. Die Erfahrung von San Stefano vollendete diese Entwicklung. So schwankte die Haltung Serbiens gegenüber Bulgarien zwischen der Erinnerung an die noch vor kurzem bestehende Eintracht und Freundschaft und der Furcht vor der bulgarischen Konkurrenz. Deshalb waren in Serbien im Jahre 1878 die widersprechendsten Gerüchte und Pläne möglich, die den Fürsten Milan als bulgarischen Thronkandidaten bezeich- neten 70) und im selben Atemzug im bulgarischen Nachbar den gefährlichen Nebenbuhler im Kampf um die Vorherrschaft auf dem Balkan sahen. Durch die Ereignisse der Jahre 1875—1878 wurden die Probleme über das Schicksal Makedoniens ins Rollen gebracht. Für Serbien war hier viel zu gewinnen, aber auch zu verlieren. Der Auftakt, den Rußland in San Stefano gegeben hatte, und dem eine ununterbrochene Kette von russischen Gunstbezeugungen für Bulgarien und dadurch Demütigungen für Serbien