Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

156 Ferdinand Hauptmann folgte, war nicht rosig. In allen Fällen, in denen sich Serbien mit Bulgarien auseinanderzusetzen hatte, zog es den Kürzeren, denn Rußland verwendete sich immer für seinen neuen Schützling. Umsonst unterbreiteten Bewohner der an Bulgarien gefallenen Kreise, wie jene von Kula und Trn, der ser­bischen Skupstina und den Großmächten Petitionen, in denen sie den Anschluß an Serbien erbaten. „Denn wir sind keine Bulgaren, sondern Serben. Den bulgarischen Namen hat uns die Macht und die lange Sklaverei aufgedrungen, weil der serbische Name bei den Türken als der eines Empörers gegen den Sultan gleichbedeutend war, und weil uns die Türken in böser Absicht Bulgaren und Griechen genannt haben; wir hoffen zuver­sichtlich, daß Eure Majestät es jetzt nicht zulassen werden, daß wir mit dem fremden bulgarischen Namen benannt werden sollen, und daß wir dem bulgarischen Staate einverleibt werden, wo wir uns in vollkommener Sklaverei befänden ... Wir werden eher von hier wegziehen und unsere Heimat öde verlassen, als daß wir uns in dein bulgarischen Staat ein­verleiben und uns Bulgaren nennen lassen“ 71). „In unverhohlener Weise“ sprach Ristic, was sonst gar nicht seine Ge­wohnheit war, mit Herbert über die serbisch-bulgarischen Unstimmig­keiten. Am meisten befürchtete er den Zusammenschluß Bulgariens und Rumeliens, den er „für unabwendbar und für eine Frage der Zeit“ hielt. In dieser Beklemmnis sah er keinen anderen Ausweg, als — die Konso­lidierung der Türkei zu wünschen, „auch wenn man kein Freund der Türken ist“ 72). Mittlerweile verlegte der serbische Staat sein Schwergewicht auch weiter nach Süden, indem er aus Nis ein zweites Zentrum machen wollte. Schon gegen Ende des Jahres 1878 übersiedelte der Fürst samt Familie für längere Zeit in diese Stadt, was zu den verschiedensten Gerüchten Anlaß gab. Ristic gestand offen den politischen Charakter des Aufenthaltes ein, indem er erklärte, Serbien müsse nach dem Verluste Bosniens ein anderes Gebiet für seine Aspirationen aussuchen und das wäre nun Altserbien. Auf diese Weise könne Einklang herrschen zwischen Österreich und Serbien, da hier die österreichischen Interessen mit den serbischen Aspirationen nicht zusammenstießen. Auch die bulgarischen Aspirationen könnte man, wie er hinzufügte, von Nis aus leichter bekämpfen78). Der stets verschlossene und wortkarge serbische Staatsmann hatte hier tief in seine Karten blicken lassen. Wenn er es tat, so mußte das eine leise Aufforderung an Österreich sein, um dessen Billigung und Förderung in dieser Angelegenheit zu erhalten. Man braucht, um das zu verstehen, sich nur die bisherige Entwicklung vor Augen zu halten. Nach kaum dreißigjähriger halbsouveräner Entwicklung hatte Ili ja Garasanin unter den Augen der Türken das Programm aufgestellt, das dem kleinen Vasallenfürstentum die Befreiung der Balkanvölker zum Ziele setzte. Wie gebannt blickten zwei Generationen auf dieses Programm. Das junge Fürstentum war zu jeder Zeit sprungbereit, um sich auf den „kran­ken Mann“ zu stürzen, den man für viel kränklicher und schwächer hielt,

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