Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)
AUSSERER, Carl: Der „Liber jurium in valle Lagari“
Der „Liber juráim in valle Lagari“ 69 Berücksichtigung der jüngsten Urkunde (1302) zu einer Zeit gemacht worden sind, als in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Trient die Bischöfe Heinrich II. (1274—1289), Philipp Bonacolsi (1289 bis 1303) und Bartholomeus Quirini (1304—1307) regierten. Vom späteren Bischöfe Nikolaus von Brünn (1338—1347) wissen wir, wie bemerkt, daß er den alten „Liber S. Vigilii“ erweitern und ergänzen ließ — ob aber auch die Anlage unseres „Liber jurium“ auf ihn zurückgeht, läßt sich vorläufig nicht erweisen. Die Überlieferung der Stücke im „Liber jurium“ ist ihrer Form nach keine einheitlich gleichartige. Die ersten vier Stücke sind kurze Regesten, alle übrigen Stücke sind teils ausführliche Regesten oder Urkundentexte mit fehlenden Sanktionen und Notarsfertigungen. Aus dieser Art der Aufzeichnung ist zu schließen, daß nicht allen Stücken Originale zugrunde lagen wie bei den Stücken 1 bis 4. Zudem ist eine Urkunde infolge Beschädigung des Pergamentes nur mangelhaft überliefert und läßt sich ihr vermutlicher Inhalt nur durch Urkunden ähnlichen Inhaltes aus der unmittelbaren Folgezeit ergänzen. Der Inhalt einer zweiten Urkunde wird sich infolge Fehlens ihres ersten essentiellen Teiles kaum mehr feststellen lassen. Wie die Form der Überlieferung keine einheitliche ist, so auch die Folge der einzelnen Instrumente. Weder eine zeitliche noch sachliche Anordnung ist eingehalten. Daraus kann geschlossen werden, daß die einzelnen Stücke entweder je nach ihrer Auffindung oder fallweise je nach Bedarf aus den Urkundenbeständen herausgesucht und verzeichnet wurden, um sie zur Hand zu haben. Die zur Zeit der Abfassung des „Liber jurium“ noch immer bestehenden Machtbestrebungen, sei es des Landadels oder anderer Kreise, boten immer wieder Anlaß zur Betonung und Feststellung bischöflicher Rechte. Der Landadel versuchte, sich immer wieder neue Rechte anzumaßen, seine Herrschaft auszudehnen und zu erweitern — einem Beispiele, dem auch andere, wie ganze Täler und die Stadt Trient selbst, folgten, deren Niederschläge die statutarischen Rechte, die zahlreichen Dorfregeln, Weistümer, „Carte di regola“ sind. In diese Bestrebungen mengten sich auch die kaiserliche Macht und die oberitalienischen Städte ein. In der ersten Etappe dieses Ringens hatte der energische Bischof Friedrich von Wangen (1207—1218), unter dem der Glanz des fürstbischöflichen Stuhles seinen Höhepunkt erreicht hatte, einen gewissen Halt geboten. Von ihm war der vorerwähnte nach ihm benannte „Codex Wangianus“ angelegt worden. Auf Friedrich von Wangen folgte Adelpret von Ravenstein (1219—1223), der nach