Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)
GOLDINGER, Walter: Archivwissenschaftliche Literatur der Jahre 1948–1951
326 Literaturberichte sie aber mit dem pulsenden Leben der Vergangenheit in Gestalt fesselnder Tatsachenberichte erfüllt zu haben, ist das bleibende Verdienst der eindringlichen Forschungen M.s, deren aufgeschlüsselte und aufschlußreiche Bibliographie gleichfalls von großem Wert ist. H. L. Mikoletzky (Wien). Mann Golo, Friedrich von Gentz. Geschichte eines europäischen Staatsmannes. Europa Verlag, Zürich/Wien 1947, 402 Seiten. Zu den für die österreichische Geschichtswissenschaft erfreulichsten Erscheinungen gehört die nach dem ersten Weltkrieg einsetzende, in den letzten zehn Jahren besonders intensive Beschäftigung amerikanischer Historiker und Publizisten mit den Problemen der Donaumonarchie, die „Entdeckung Klein-Europas“, wie sie Friedrich Engel-Janosi kürzlich in einem instruktiven Überblick (in der Zeitschrift „Wort und Wahrheit“, 6. Jg., 1951, S. 691 ff.) genannt hat. Sie hat jenseits des Atlantiks nicht nur zu einer gerechteren Beurteilung unseres Vaterlandes und seiner Geschichte geführt, sie hat auch manche beachtliche Ergebnisse und Anregungen gezeitigt, die unsere heimische Forschung nicht mehr länger übersehen und missen darf. Dies gilt besonders für Arbeiten, die sich mit den Fragen des 19. Jahrhunderts, vor allem mit der nationalen, befassen. Leider ist es dem Rezensenten nicht vergönnt, mit dem vorliegenden Buch ein Werk vorzustellen, das der vollen Zustimmung hierzulande gewiß sein darf. Der Verfasser, ein Sohn von Thomas Mann, studierte ursprünglich in Heidelberg und wurde nach seiner Auswanderung Hochschulprofessor in den USA. Wie er selbst im Vorwort und in der zügig geschriebenen Einleitung bekennt, wurde das Werk durch die Eindrücke der Jahre, in denen es niedergeschrieben wurde, d. h. die politischen Ereignisse von 1936 bis 1941, entscheidend bestimmt. Er erklärt sich ferner als Anhänger der „neuen“, pragmatischen Schule der Historiographie, die besonders in den Vereinigten Staaten unter dem Einfluß Croces, Spenglers u. a. im Gegensatz zur alten, „realistischen“ Richtung — M. nennt sie auch „Leopold- von-Rankisch“ — die Geschichtsschreibung als zum Verständnis der Gegenwart zweckbedingt auffaßt und die rein wissenschaftliche Zielsetzung als naiv und undurchführbar ablehnt. Chester McArthur Destier hat sich jüngst (in American Historical Review, vol. 55, 1950, S. 503 ff.) mit den Prinzipien dieses historischen Präsentismus als einem Rückfall in den Subjektivismus kritisch auseinandergesetzt und u. a. nachgewiesen, daß die neue Richtung die Gültigkeit der Quellen ignoriert. Es ist begreiflich, daß die „pragmatische“ Methode dem Verfasser für das vorliegende Werk besonders geeignet erschien, da die Biographie als die der Kunst am nächsten stehende historische Gattung gilt, womit sie aber auch wie keine andere der Gefahr des Subjektivismus unterliegt. Da M. jedoch behauptet, auf den Quellen aufzubauen, also wissenschaftlich vorzugehen, wird er es sich gefallen lassen, daß seine Fachgenossen sein Buch mit der Sonde der historischen Kritik untersuchen. Die Biographie erschien zuerst im Frühjahr 1946 in Amerika in einer nicht vom Autor besorgten englischen Übersetzung, die in Wien nicht