Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)
GOLDINGER, Walter: Archivwissenschaftliche Literatur der Jahre 1948–1951
Rezensionen 327 vorhanden und dem Rezensenten nur aus Besprechungen bekannt ist. Sie besitzt weder Index noch Anmerkungen und bloß in der deutschen Ausgabe von 1947 ein nach Kapiteln gegliedertes Literaturverzeichnis. Nach welchen Gesichtspunkten dieses zusammengestellt wurde, ist nicht ersichtlich. Es hätte an sich genügt, auf die ziemlich vollständigen Vorarbeiten zur Gentz-Bibliographie von Kircheisen, Wittichen, Groba und zuletzt Sweet zu verweisen und dazu nur Ergänzungen, besonders zur neueren Literatur, zu bringen. M. verzeichnet jedoch das Wesentliche der älteren, schon in den genannten Bibliographien angeführten Literatur, von der neueren meist nur Werke essayistischen Charakters; einige ziemlich wichtige Arbeiten, auf die noch später verwiesen wird, fehlen, während andere von zweifelhaftem Wert, wie das von Aubry über den König von Rom, aufscheinen. Was an wichtigem Quellenmaterial im Druck vorliegt, ist dem Verfasser wohl bekannt und wird von ihm in oft seitenlangen Zitaten und Auszügen ergiebig verwendet. Doch ist die Benutzung dieser Quellen in vielen Details oft oberflächlich und unkritisch, wie z. B. die Angaben über Gentz’ Aufenthalt in London (S. 124, vgl. dazu: Briefe von und an F. v. Gentz, hrsg. von F. C. Wittichen, 2. Bd., 1910, S. 395 ff.) oder die von Schlesier (Schriften von F. v. Gentz, 5. Bd., 1840, S. 316) übernommene falsche Datierung des berühmten Briefes an Amalie von Helvig, den Gentz in seinen Tagebüchern (4. Bd., 1874, S. 428, unter dem 23. September 1828) eine „Art von politischem Glaubensbekenntnis“ nennt. Es würde über den Rahmen der vorliegenden Besprechung hinausführen, alle diese meist unwesentlichen, für die Arbeitsweise des Verfassers aber charakteristischen Irrtümer aufzuzählen; sie lassen sich an Hand der gut belegten Arbeit Sweets, auf die wir gleich zu sprechen kommen, leicht feststellen. Man wird von einem Werk dieser Art nicht erwarten dürfen, daß sich der Verfasser auf primäre Quellenforschung stützt; eine solche würde, wenn sie vollständig sein soll, über die Kräfte eines Menschenlebens gehen. Wie die Aufgabe im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten zu lösen war, zeigt die bereits 1941 erschienene Gentz-Biographie von Paul R. Sweet (Friedrich v. Gentz, Defender of the Old Order, Wisconsin). Hier wird auf solider Grundlage ein Lebensbild entworfen, das den Stand der Forschung widerspiegelt. M. hat, wie er im Vorwort seiner deutschen Ausgabe schreibt, das Buch von Sweet erst kennengelernt, als die englische Übersetzung seines Werkes bereits im Druck war. Leider läßt er Sweet in der deutschen Ausgabe gleichfalls unberücksichtigt, wie er auch die neuere deutsche Literatur zu seinem Gegenstand nicht kennt, aus nicht sehr einleuchtenden Gründen eine Überarbeitung ablehnt und manchen durch die Forschung überholten Irrtum beibehält. So wird man sich auch künftighin an Sweet halten müssen, obwohl das Buch von M. fünf bzw. sechs Jahre später erschienen ist. M. nennt seine Biographie, die Geschichte des politischen Agenten Gentz, einen Versuch, „die Geschichte der frühesten modernen Weltkrise von einem persönlichen Gesichtspunkt aus noch einmal zu erzählen“. Mit Recht scheint er mir gegenüber der differenzierten Einteilung Sweets die alte, im wesentlichen schon von F. C. Wittichen (in MIÖG., 27. Bd., 1906, S. 682, Anm. 1) vertretene Dreiteilung beizubehalten. 1764 in Breslau