Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)

SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs

24 Leo Santifaller Das Chrismon1) ist ein christlich-religiöses Zeichen und soll ein Symbol für die Anrufung Gottes, also eine monogrammatische Invokation, darstellen. Die ursprüngliche und am weitesten ver­breitete Gestalt des Chrismons was das Kreuz. Diese von den einzelnen Urkundenschreibern individuell gebildete Figur findet sich bereits in den Diplomen der Merowinger und wurde auch in der Karolinger­kanzlei beibehalten. Bis zu Ludwig d. Fr. war das Chrismon einfach geformt. Seither, wie auch bereits in unserer Urkunde, hat sich allmählich eine etwas kompliziertere Gestalt entwickelt: der lang­gezogene, leicht geschwungene vertikale Schaft hat oben und in der Mitte Schnörkelwerk, das sich dann unter den Nachfolgern Ludwigs des Frommen noch reicher entwickelt. Bei den Merowingern sowie unter den ersten Karolingern bis ein­schließlich Karl d. Gr. steht das Chrismon regelmäßig zu Beginn der Urkunde und vor der Rekognition; bei den Merowingern außer­dem auch am Beginn der königlichen Unterschrift sowie vor der Datierung. Unter Ludwig d. Fr. ist das Chrismon ständig nur mehr vor der Rekognition anzutreffen; es begegnet hier und da aber auch an anderen Stellen, so in unserem Diplom am Anfang der Urkunde und vor der Datierung. Signumzeile und Monogramm 2) bedeuten und ersetzen die königliche Unterschrift. In den merowingischen Diplomen haben die Herrscher, soweit dies überhaupt für nötig gehalten wurde, ihre Namensunterschrift persönlich und eigenhändig geleistet. In bestimmten Fällen, in denen der König etwa wegen Minderjährigkeit oder aus anderen Gründen nicht imstande war, selbst zu unter­schreiben, hat man das bereits in der Antike bekannte und von dort übernommene Monogramm angewendet3). Das Monogramm, zusammengesetzt aus den Buchstaben des Königsnamens, manchmal auch noch des Königstitels, wurde in der Hauptsache von der Kanzlei angefertigt; der König bzw. das königliche Kind hat sich mit der Eintragung einer oder einiger einfacher Linien in die Zeichnung begnügt. So ist das Monogramm als Ersatz für die Königsunterschrift aufgekommen. Mit dem Emporkommen des Karolingischen Hauses aber wurde die Anwendung eines Zeichens an Stelle der Unterschrift zu einem regelmäßigen Bedürfnis, weil Pippin und zunächst auch b Vgl. Sickel, Acta 1, S. 210 ff., 294 ff.; Erben, S. 140—145. *) Vgl. Sickel, Acta 1, S. 316—320; Erben, S. 145—157. 3) Vgl. Gardthausen, Viktor: Das alte Monogramm, Leipzig 1924.

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