Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift
LARGIADER, Anton: Natal- und Circumcisionsstil in Zürich vom 14. bis zum 16. Jahrhundert
Natal- und Circumcisionsstil in Zürich vom 14. bis 16. Jahrhundert 427 Weihnachtsstil1). Als Sitz dieser Zählmethode hat im Mittel- alter ganz besonders Deutschland zu gelten, die Kanzleien der deutschen Könige und der deutschen Bischöfe bedienten sich seiner. Auch die päpstliche Kanzlei verwendete den Natalstil, er soll namentlich im 14. Jahrhundert an der Kurie maßgebend gewesen sein. Komplizierter sind die Verhältnisse in der Diözese Lausanne, die sich aus französisch- und deutschsprechenden Landschaften zusammensetzte. Ihr Gebiet ging im Osten des schweizerischen Mittellandes bis zur Aare. Daher läßt sich im deutschen Teil dieses Bistums ebenfalls Natalstil nach- weisen. Bei der Verwendung des Natalstils erfolgte der Jahreswechsel mit dem 25. Dezember, dem Tag der Geburt des Herrn. Bei Reduktion auf moderne Daten ist für die Tage zwischen dem 25. und 31. Dezember die Jahreszahl um eine Einheit zu vermindern. Nimmt man den Neujahrstag als Begrenzung, so ergibt sich eine Spanne von acht Tagen, ein Zeitraum, der als „Oktave“ bezeichnet wird. Daneben bedeutet „octava“ sowohl den achten Tag nach einem Feste wie auch den ganzen Zeitraum 2). Die deutschen Quellen sprechen von der Weihnachtswoche 3). Es ist nun bei Daten, die in der Weihnachtswoche liegen, nicht immer sicher, welcher Jahresstil anzuwenden ist. Oft gelingt die Lösung nur durch Kombination mit anderen Quellen, die mit dem in Frage stehenden Dokument sachlich einen Zusammenhang aufweisen. Ist die Indiktion angegeben, so läßt sich die Frage in der Regel rasch entscheiden, denn sie wechselt in unseren Gegenden am 24. September 1) Jos. Leop. Brandstetter veröffentlichte im 25. Bd. des „Geschichtsfreund“ 1870 (Mitt. d. Hist. Vereins der fünf Orte) S. 33—73 eine „Kurze Anleitung zum Übersetzen der Daten, mit besonderer Rücksicht auf schweizerische Urkunden“; dabei behandelte er die verschiedenen Jahresanfänge 8. 53—58 und erkannte das Überwiegen des Natalstils in der deutschen Schweiz. — In einer Notiz im Anzeiger f. Schweiz. Geschichte, 5 (1886), S. 69—71, „Der Nativitätsstil“ brachte Brandstetter weitere Beispiele aus den verschiedenen Teilen der Schweiz zusammen. — Aus dem Material der Regesta episcoporum Constantiensium steuerte deren Bearbeiter Paul Ladewig im Anz. f. Schweiz. Gesch., 5 (1888), S. 161 bis 165, eine Reihe von Datumsangaben bei unter dem Titel „Zur Anwendung des Nativitätsstiles in der Diözese Konstanz“, mit schweizerischen Beispielen. 2) Herrn. Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 1. Bd. (1891), S. 137. 3) Grotefend, a. a. O., S. 206, „Weihnachtswoche“. Als „achten tag“ be- zeichnete man insbesondere den achten Tag nach Weihnachten, vgl. die Beispiele bei Grotefend S. 2. — Das Zürcher Ratsbuch für die erste Jahreshälfte (Natalis) 1518 datiert: „mitwuch vor dem achtenden tag . . . 1518“, gleich 1517 Dezember 30; siehe unten.