Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift

KRAUSE, Wilhelm: Kosmas der Aetoler und seine Prophezeiungen

422 Wilhelm Krause Historiker und Reisende des beginnenden 19. Jahrhunderts entweder Kosmas überhaupt nicht nennen oder nur beiläufig erwähnen, nicht allzu große Bedeutung zumessen, hat doch einige Jahrhunderte zuvor Laonikos Chalkondylos bei seiner Schilderung Frankreichs in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit keinem Worte von der großen Jungfrau von Orléans Notiz genommen, obwohl er ihr Zeitgenosse war. Hingegen ist es schon auffallender, daß, bis auf die Veröffent­lichung von Kalyvopulos und die in Anm. 1 erwähnte von K. Faltaits, die Biographen des Kosmas nichts von Prophezeiungen desselben berichten. Wollen wir nun nicht von vornherein annehmen, daß es sich hier um eine bewußte tendenziöse Fälschung handelt, sondern Kalyvopulos bona fide handelte, als er diese Prophezeiungen, welche unter dem Namen des Kosmas ihm erzählt wurden, sam­melte, so müssen wir zunächst versuchen, ob sich einzelne dieser Sätze nicht auch anders deuten lassen. Und in der Tat lassen sich Elemente theologischer, sozialer und politischer Natur herausschälen. 1. Die theologischen Quellen für ungefähr 20 Prophezeiungen liegen offenbar im Neuen Testament. So dürfte die Grundlage für Einzelheiten des allgemeinen Krieges Mt. 24, 1 ff., Mk. 13, Iff. und Lk. 21, 5 und die Apokalypse bilden, und zwar für die Prophezeiungen 37, 44—52, 54. Das gleiche gilt für 55, 56 (die Friedenszeit) und den Krieg im Epirus: Zeitpunkt (26, 31, 32), Plötzlichkeit (13, 28); selbst die Ratschläge (25, 29—32) haben im NT ihre Quelle. Dies ist auch für die Deutung von 43 durch die Kleriker der Fall (vgl. besonders 1 Petr. 2, 13 ff., dazu Apg. 4, 19 Röm. 13, 1 ff. und Tit. 3, 1 ff.). Es ist nun zwar nichts Außergewöhnliches, daß im christlichen Kulturraum die Weissagungen, welche das Neue Testament enthält, auf konkrete Situationen, bestimmte Völker und Gegenden gedeutet wurden und werden, aber immerhin verdient es festgehalten zu werden, daß seit dem 8. Jahrhundert, also den ersten schwereren Bedrohungen des byzantinischen Reiches durch den Islam, die Prophezeiungs- literatur immer größeren Umfang annimmt: immer aber bildet den geistigen Mittelpunkt die enge Verbindung von Griechentum, Eschatologie und Chiliasmus '). Nach dem Fall von Byzanz wrar es vor allem die Legende vom Marmorenen Kaiser, die bis in die Gegen­b Krumbacher, Geschichte der byzantinischen Literatur (1897), S. 621,. 627 ff. und 809.

Next

/
Oldalképek
Tartalom