Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift
KRAUSE, Wilhelm: Kosmas der Aetoler und seine Prophezeiungen
Kosmas der Ätoler und seine Prophezeiungen 423 wart hinein viele Griechen mit Mut erfüllte l). Während aber bis 1453 der Hof selbst die Verbreitung der Prophezeiungen förderte, scheint nach der Eroberung der Stadt Athos diese Aufgabe übernommen zu haben, um die Hoffnung der Griechen auf eine kommende Befreiung von der Türkenherrschaft wach zu halten. Wenn die Überlieferung Kosmas, dem ehemaligen Athosmönch diese Worte in den Mund legt, so stellt sie ihn also mitten in eine im byzantinischen Gebiet ununterbrochene Tradition, die wir literarisch von ungefähr 775 2) bis 1936 verfolgen können. 2. Bestimmte soziale Voraussetzungen ergeben sich aus den Prophezeiungen 3, 4, 10, 17, 39, 40 und 53: sie stellen die ganz Armen den ganz Reichen und Gebildeten gegenüber, jene werden schließlich gerettet werden, diese aber tragen durch ihre Unfähigkeit, auf Verhandlungswegen den Krieg zu vermeiden, die Schuld an der ganzen Katastrophe. Es ist nun auffallend, daß keinerlei Rücksicht auf den im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeutenden Handwerkerstand genommen wird, dessen Angehörige sich alljährlich im ganzen osmanischen Reich verbreiteten, um Arbeit zu suchen, in den Sommermonaten aber wieder in ihre Heimat zurückkehrten 3). Dieser ging erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Da die Prophezeiungen erst ab 1912 aufgeschrieben wurden, scheinen die 1) M. K. Kalyvopulos erzählt: „Nach dem Balkankrieg gab es solche, die ein tief verwurzeltes nationales Empfinden hatten, die nach Älterem suchten, um sich auf die gemäß den Prophezeiungen zu erwartenden Ereignisse vorzubereiten. Es war nicht nur mein Bruder, der diese Erfahrung machte, sondern auch viele andere und selbst der Nationalmärtyrer der kleinasiatischen Katastrophe, der Smymer Chrisostomos. Er war von dem Bali von Smyrna verfolgt und befand sich während des Weltkrieges in Konstantinopel. Er lernte die Prophezeiungen des Alten Testamentes kennen und sagte mit Überzeugung zu seinen Freunden, daß der Augenblick kommen werde, in dem die Stadt von den Türken befreit und die Prophezeiung des Isaias in Erfüllung gehen werde. Auch durch die Apokalypse suchte er seine Worte zu bekräftigen. Ich erinnere mich an die vielen Abende, an denen er seine Freunde und zahlreichen Schülern in verschiedenen Häusern versammelte und in den Stunden der Erklärung der Prophezeiungen mit Mut zu erfüllen suchte, der auch mich bei diesen Zusammenkünften erfaßte, und ihr Denken mit neuem Leben beseelte.“ 2) Um 775 wurden Prophezeiungen über Mohamed und die Zukunft des Islam abgefaßt, die mit dem Namen des Stephanos von Alexandrien, einem unter Heraklios I. (610—641) wirkenden Philosophen, versehen wurde. 3) Eine eingehende Schilderung des Lebens im Epirus gibt G. Hahn, a. a. O., I, S. 42—44.