Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift
KRAUSE, Wilhelm: Kosmas der Aetoler und seine Prophezeiungen
416 Wilhelm Krause Ü.: Als die Leute hörten, daß die Rede von der Zerstückelung der Mächte sei, lachten sie. Das Schicksal Österreichs interessierte sie unmittelbar nicht, da sie sich darüber keine Sorgen machten. Ihre ganze Aufmerksamkeit wandten sie der Zerstückelung der Türkei zu. „Glücklich diejenigen“ sagten sie „die noch erleben, wenn die Türkei zerstückelt wird.“ 36. „Sobald ihr eine tausendschiffige Flotte in den griechischen Gewässern sehen werdet, dann wird er nahe sein.“ Ü.: Eine tausendschiffige Flotte, so sagten sich die Leute, kann nicht von einem Staate sein. Es ist ein Bündnis vieler Staaten. Eine gewaltige Not wird die Staaten zu einer gemeinsamen Zusammenarbeit zwingen. Also wird ein großes Unglück über die Menschheit kommen. 37. „In der Stadt ') wird Blut fließen, daß ein dreijähriges Rind ersticken wird.“ Ü.: Entsetzen ergriff alle, als sie von so viel Blut hörten. Alle fühlten, wie sich ihnen die Haare auf dem Kopf sträubten. 38. „Die Türken werden fliehen“, sagte der Heilige, „aber später werden sie von neuem griechische Gebiete in Besitz nehmen. Zuletzt werden sie diese bis Kokkini Milia vertreiben. Von den Türken wird ein Drittel im Krieg getötet, ein Drittel wird getauft und ein Drittel wird nach Kokkini Milia * 2) gehen. Ü.: Die Trauer wandelte sich in Freude. Die Seelen der Menschen mit großen Hoffnungen erfüllt. Für einen Augenblick hielten sie alles für leicht. Die Freude war aber kurz. Zu rasch änderte sich das Antlitz des Heiligen; er zog seine Augenbrauen finster zusammen. Er sah nicht Erfreuliches für die Menschheit. 39. „Sie werden versuchen, es mit der Feder zu lösen, aber sie werden es nicht vermögen. Neunundneunzigmal Krieg und einmal mit der Feder.“ Ü.: Alle begriffen, daß er über die Europäer sprach, über „die Franken“ wie sie damals sagten. Große Trauer und Schmerz ergriff alle. „Schaut den Pater Samuel“, sagte Ambrosius, der dicke Mönch, *) d. i. Konstantinopel. 2) Wo das Gebiet von Kokkini Milia, d. i. des „goldenen Apfels“, liegt, ist bis heute unbekannt. Über dieses Problem vgl. jetzt auch S. Kreutei WZKM LI. (1950) Heft 3/4, Ewlija Celebifs Bericht über die türkische Großbotschaft des Jahres 1665 in Wien. Ich vermute, daß die Sage von den Hesperidenäpfein durch die Hinwendung auf den goldenen Reichsapfel eine konkrete Zielsetzung erfuhr.