Fekete Ludwig: Türkische schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy (Budapest, 1932)
Einleitung
Dieses Verhalten der Türken könnte aber noch immer bloss als Gleichgültigkeit oder indifferente Passivität gedeutet werden. Doch zeigte die türkische offizielle Politik nicht nur keine Sympathie und kein Verständnis für das ungarische Volk, sondern legte auch ihren Zorn und ihren Hass gegenüber den Ungarn ganz offen an den Tag. So sehr sahen die Türken im Ungartum ihren verhasstesten und zähesten Feind, dass sie bereit waren, es sogar durch eine Verbindung mit den Wiener Regierungskreisen zu vernichten. Die feindliche Einstellung der Türken gegenüber den Ungarn war übrigens zur Zeit des Palatins Esterházy schon seit langem nichts Neues mehr, sondern entsprach einer jahrhundertalten Tradition. Der Ungarnhass war noch ein Erbe des Paschas Sokollu Mustafa, des jüngeren Bruders von Grossvezir Sokollu Mehmed, der zwischen 1566 und 1578, zwölf Jahre lang, Ofner Bejlerbej war, ein Erbe der Paschas Kara Oveis und Sinan, eine Überlieferung, zu der sich zu Anfang des XVII. Jahrhunderts auch die türkischen Gesandten Ahmed und Gratiani offen bekannten. Dieselbe traditionelle Haltung gegenüber den Ungarn nahmen auch die damals in Ungarn weilenden türkischen Führer ein. So sah Murteda sowohl in seiner Stellung als Bejlerbej von Ofen wie auch in seinem späteren Amte bei der Zentralregierung in den Ungarn die grösste Gefahr für den „gesegneten Frieden" und ganz derselben Meinung war ein Jahrzehnt später auch der einfluss- reiche Musa Pascha. Ihrer Auffassung nach machte das ungarische Volk das friedliche Übereinkommen der beiden Kaiser unmöglich. Die Ungarn könnten sich —wie sie behaupteten — mit ihrem Schicksal nicht zufrieden geben und wollten sich nicht unterwerfen. Das friedliche Zusammenleben mit Nemce, das sie (die Türken) von Herzen ersehn- ten, sei ebenso, wie die Aufrechterhaltung des Status quo wegen der Ungarn nicht denkbar, und deshalb würden sie empfehlen, das unga- rische Volk mit vereinten Kräften „aus der Mitte herauszuheben". 1 Sie wollten also das deutsche Volk vom christlichen, in seiner 1 Vgl. A budai pasák magyar nyelvű levelezése („Die ungarische Korrespon denz der Ofner Paschas"), 1, 1553—1589, redig. von Alex. Takáts, Franz Eckhart und Julius Szekfű, S. 81, 412, 419; vorliegende Arbeit, S. 318; — Murtedas Brief an Gr. Miggan vom 12. März 1630, ital. Übersetzung: Wien, St. Arch., Turcica, Akten, bei dem betreffenden Datum; — Musas Brief an Hein rich Schlick, Ofen, 22. Moharrem 1042—9. Aug. 1632, ebda; ders. an Que stenberg, ital. Übersetzung, ebda: 21. Zi1hidádze 1042—29. Jun. 1633; — Veröffentlichung der DoktorHermannThorningGedächtnisStiftung, Heft 1, Tafel X. — Die lange Zeit von den offiziellen Kreisen verfochtene Auffassung