Fekete Ludwig: Türkische schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy (Budapest, 1932)
Einleitung
und die Vezire von Ofen oder Konstantinopel einer Meinung gewesen wären; sie hatten so entgegengesetzte Interessen zu vertreten, dass, sobald einer von ihnen seiner Politik eine andere Wendung gab — wie dies im Falle der Katharina von Brandenburg geschah —, sofort auch sein Gegner seinen Weg entsprechend änderte. So konnten diese beiden Richtungen, die Politik des Palatins und die der Pforte, nicht zusammengehen. Zwischen ihnen standen, wie wir gesehen haben, als Haupthindernisse die vom ungarischen Königreich abgetrennten und direkt oder indirekt der Pforte unterstellten ungarischen Gebiete, die einst dem Königreich gehört hatten und die jede königliche ungarische Regierung, und so auch der Palatin, immer wieder mit dem Mutterland verbinden wollte. Der Gegensatz zwischen beiden Parteien wurde also in erster Linie durch Machtziele verursacht; zugleich vertiefte er sich noch mehr durch religiöse und durch Rassenmomente, namentlich ob des schmerzlichen Loses, das dem ungarischen Volk und den Christen anderen Stammes unter türkischer Herrschaft zuteilgeworden. Die türkisch-ungarische Sympathie, deren Rückverlegung in die Vergangenheit neuerdings sogar die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung beeinträchtigt, ist bloss Romantik des vergangenen Jahrhunderts, eine durch neuere Politik gezüchtete Blume, deren feine Wurzelfasern nicht in das XVII. Jahrhundert zurückreichen. Es konnte sich zu dieser Zeit zwischen Ungarn und Türken keine Freundschaft entwickeln, noch vermochte man sich in Ungarn ob des offensichtlichen Ungarnhasses der Türken mit dem Gedanken eines 'notgedrungenen Zusammenlebens abzufinden. All' jene Worte, die die Gleichgültigkeit der Türken für das bedrängte Schicksal der Leibeigenen, der Raajas, zu widerlegen und Mitleid mit den Raajas zu beweisen versuchen, sind, wie dies aus den traurigen Folgen der Türkenherrschaft in Ungarn ersichtlich ist, nichts mehr als abgedroschene offizielle Phrasen, menschenfreundliche Redensarten, die meistens ohne Taten blieben. Das Schicksal und die Lage des Volkes in Ungarn war für den Türken immer von untergeordneter Bedeutung. Und wenn türkischerseits hin und wieder Versuche gemacht wurden, die scheinbar den Interessen der Raajas dienten, sind die Beweggründe hiefür nicht in menschlichen Gefühlen, sondern in den Interessen der Staatskasse oder einer Privatperson, des türkischen Grundherrn, des belehnten Söldners, zu suchen. Und so blieb die Lage unverändert während der ganzen Zeit und nirgends zeigte sich eine ernstliche Absicht oder ein ehrlicher Versuch, die Lage der Leibeigenen zu verbessern.