Franciscus Dőry: Decreta Regni Hungariae : Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 11. Budapest, 1976)

Einleitung

Königs angerufen, so müssen sie, da der weltlichen Macht Gehorsam gebührt, angewendet werden, selbst dann, wenn sie — wie aus der Definition ersichtlich ist - dem „guten" Gewohnheitsrecht widersprechen. Das ius aber, das göttliches Recht und Billigkeit ausdrückt, muß er unter Hintansetzung jeder anderen Rechtsquelle anwenden, da er - als Mensch des Mittelalters - der sittlichen Welt­ordnung, die sich ihm durch das Naturrecht offenbart, größeren Gehorsam schuldet als den Befehlen der weltlichen Macht. Statt der Hierarchie der Rechtsquellen bestand also im überlieferten System des mittelalterlichen ungarischen Rechts die Konkurrenz zwischen den Rechts­quellen. Daß das nicht nur in den Kanzleien des Königs und in denen der glaub­würdigen Orte der Fall war, sondern auch im Rechtsleben, beweist die königliche Bestätigung des Tripartitums; danach zogen einige Prozeßführer zur Unterstüt­zung ihrer Standpunkte das Gewohnheitsrecht des Landes, andere die Gesetze heran, und sogar unter den rechtskundigsten Männern entstand ein großer Wett­streit in der Auslegung von leges, consuetudines und constitutiones. Das führte dazu, daß diejenigen, die nicht mit Argumenten und Beweisführung siegen konnten, mit ihrer bewaffneten Gefolgschaft (d.i. ihren familiäres) vor Gericht erschienen und es so auf ihre Seite zu bringen versuchten. Diese Erscheinung haben wir früher nicht ohne Grund als Kampf zwischen Gesetz und Gewohn­heitsrecht bezeichnet, 44 dazu konnte es jedoch erst dann kommen, als die Häu­figkeit der geschriebenen Gesetzgebung und seine Ausdehnung auf einen brei­teren Kreis die Überlegenheit des Gewohnheitsrechts erschüttert und den Weg für das Primat des Gesetzes geebnet hatte. Das Gesetz rückte in den Vorder­grund, weil sich der Herrscher in der Rechtsgebung jetzt bereits auf breite Schichten der Gesellschaft stützte, auf den sich der Unsicherheit im Gewohn­heitsrecht und noch mehr der feudalen Anarchie widersetzenden Kleinadel und das Bürgertum. Die Forderung, das Gewohnheitsrecht bewußt beiseite zu legen, die Rechts­verhältnisse gesetzlich zu regeln, bringen die Prinzipien der Dekrete vom 15. April, 31. August 1405 und vom 8. Mai 1435 klar zum Ausdruck. Nicht zu­fällig zieht Sigismund ebenfalls in den 1400er Jahren die Vertreter der Städte und Dörfer in die sie berührende Rechtsgebung ein und schickt das so entstandene Dekret zur Genehmigung—wie es im Falle des Komitats Pest-Pilis zu belegen ist— auch den Komitaten zu. Nicht zufällig erwähnen auch die Gesetze dieser Jahre konsequent die öffentliche Verkündung der Rechtsregeln. Zur gleichen Zeit tritt zum erstenmal die Forderung nach der Beständigkeit des Gesetzes auf, nicht in der Form der bis dahin üblichen utopistischen Klausel der „ewigen Gültigkeit", sondern indem das Dekret gültig ist, bis der Gesetzgeber es abändert. Zwei Rechtsregeln erklären über ihre Gültigkeit fast übereinstimmend „presenti de­creto nostro immutato vel irrevocato per expressum" (6. April 1404) bzw. „du­rante huiusmodi generali nostro decreto et per expressum non revocato" (vor dem 1. November 1410). Ein ähnliches Bestreben ist dem in unruhigen Zeiten erlassenen Art. XVI vom 25. März 1447 zu entnehmen, wonach die zwei De­krete des Vorjahres „demptis hiis, que per modernas constitutiones immutabun­tur" gültig bleiben. Das sind Ansprüche, Bestrebungen, aber noch keine voll­44 Törvény és szokás a HármaskönyvDen (Gesetz und Gewohnheit im Tripartitum), in: Werbőczy István. Kolozsvár 1942, pp. 121-140.

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