Franciscus Dőry: Decreta Regni Hungariae : Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 11. Budapest, 1976)
Einleitung
kommen gültigen Grundsätze, für die ihre Vertreter noch mit der überlieferten Auffassung kämpfen müssen. War das Dekret nur zu Lebzeiten des Königs verbindlich, der es erlassen hatte? Ein gewichtige Argument, die Einleitung des Decretum Maius 1486 von Matthias spricht dafür, daß bei der Weihe jedes Königs neue, den älteren widersprechende Gesetze erlassen wurden, und dafür würde auch die Neuausgabe und Bestätigung alter Gesetze sprechen. Dies war schon in unserer älteren Fachliteratur eine strittige Frage. 45 Die Glosse des Formelbuchs von Somogyvár gibt die Antwort in echt mittelalterlichem Geist. Das Dekret als eine Verfügung des Herrschers ist zu seinen Lebzeiten auf jeden Fall verbindlich, da die Untertanen sich ihm nicht zu widersetzen wagen. Nach seinem Tode jedoch kommt die Kraft des überlieferten Gewohnheitsrechts zur Geltung: wenn es diesem entspricht, wie es prinzipiell der Fall sein sollte, wird daraus eine lex, ein „Beschluß des heiligen Königs", dessen Gültigkeit nur durchius, das göttliche Recht, übertroffen wird; wenn es ihm nicht entspricht, hört seine Gültigkeit auf und das alte, gute Recht bleibt unverletzt bestehen. Aus der Glosse geht natürlich nicht hervor, daß die Auslegung des Gewohnheitsrechts immer von den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen abhängt, „gut" ist also, was die regierende Schicht der herrschenden Klasse für gut hält. Die Kräfte, die für die Geltung des Gesetzes eintraten, mußten diese überlieferte Auffassung besiegen. Allen Anzeichen nach zeigte sich die Wende zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Die Komitate und Städte haben den Text des in der oben erwähnten Weise verkündeten Gesetzes sorgfältig aufbewahrt; für erstere genügt es auf die zahlreichen authentischen Originalexemplare des Dekrets von 1351, für letztere auf die des Dekrets vom 15. April 1405 hinzuweisen, die bei den adligen bzw. bürgerlichen Gemeinschaften erhalten geblieben sind. Sie konnten die in ihren Archiven aufbewahrten Texte gelegentlich nützlich verwenden; so sehen wir beim Artikel LXI des auf Oktober 1397 datierbaren Dekrets von Temesvár, daß die Gemeinschaft der Komitate Zágráb und Kőrös das Gesetz vorgelegt haben, und beim Artikel III des Dekrets vom 15. April 1405 ist zu beobachten, daß die Bürger der Stadt Zágráb sogar nach dreißig Jahren das Originalexemplar vorlegen konnten. Nicht weniger behütet wurden die authentischen Exemplare von jenen Magnaten, denen - laut Bestätigung der Rückvermerke - diese zugestellt worden waren, so wurde ein Absatz von Artikel VII des Dekrets vom 8. März 1435 durch den Palatin 1446 in authentischem Transsumpt ausgegeben. Dieser Fall erhält besondere Bedeutung durch die Tatsache, daß diese Urkunde fast ein Jahrzehnt nach Sigismunds Tod ausgestellt wurde. Von den 1400er Jahren an griffen König und Untertanen vor allem auf die Gesetzesartikel zurück, die eine Frist setzten. Das ist verständlich, denn mit Ablauf der Frist gingen ja in der Regel Grundbesitzrechte verloren. So hat man sich unseres Wissens auf den Ablauf der für die Rückkehr in Treue zum König im Art. IX vom 8. Oktober 1403 gesetzten Frist bis 1409 berufen. Auf das vor dem 24. April 1405 über die Vorlage und die Bestätigung der Urkunden erlassene (verloren gegangene) Dekret wurde in zahlreichen Fällen hingewiesen, 1409 wurde 45 Im Leben des Königs wirksam: G. Ferdinandy: Az arany bulla (Die Goldene Bulle). Budapest 1899, pp. 142, 155; F. Eckhart: Magyar alkotmány- és jogtörténet (Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte). Budapest 1947, p. 187, darüber hinaus noch: B. Schiller: A Hármaskönyv jogforrástana (Quellenlehre des Tripartitums). Budapest 1902, pp. 42-44.