Franciscus Dőry: Decreta Regni Hungariae : Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 11. Budapest, 1976)
Einleitung
Diese heute als naiv zu betrachtende Auffassung steht nur scheinbar im Gegensatz dazu, daß die beiden Kovachich' mit historischer Anschauung zu ihrem Stoff griffen. Auch sie waren Kinder ihrer Zeit, und der Vater trat eben in dem Jahre vor die Öffentlichkeit (1790),als der ständische Reichstag begleitet vom Jubel des Adels nach 250 Jahren wieder zusammentrat, um die in den letzten Jahrzehnten der Regierung Maria Theresias mit stiller Zähigkeit, von Joseph II. aber offen beiseite geschobene ständische Verfassung wiederherzustellen. Im weiteren Verlauf ihres Lebens wurden sie Zeugen, wie der Reichstag zum bloßen Mechanismus der Steuer- und Militärbewilligung wurde und dann nach der Krise von 1811 wieder verschwand. Das Janusgesicht der ständischen Verfassung ist allgemein bekannt; sie sanktionierte die Ausbeutung Millionen W ktätiger Ungarns und verteidigte die Selbständigkeit des Landes. Und trotz ihrer - meist formellen - Kritik an der ständischen Gesetzgebung erblickten die beiden Kovachich' in dem Reichstag das Palladium der Freiheit Ungarns, die ^eit uralter Zeit unveränderten verfassungsmäßigen Rahmen. Haben sie denn nicht im Tripartitum (II. 3) gelesen, daß die „condendae legis ... facultas" mit der ßekehrung der Ungarn zum christlichen Glauben auf den König überging, er sie jedoch nur mit Zustimmung des „populus", also der Prälaten, Magnaten und Adligen ausüben durfte? Besagte das nicht auch ein späteres positives Gesetz, der ' jesetzesartikel XVIII v. J. 1635? Das Dekret als übereinstimmende Willenserklärung von König und I eichstag auslegend, wollten die Kovachich' - sonst konsequent - in die geplante Ausgabe des CJH Texte wie den Kammervertrag vom 2. Februar 1342, das (Städte-) Dekret vom 15. April 1405, die vor dem 5. April 1411 erlassene Finanzverordnung oder die Verordnung vom 12. März 1435 über das Heerwesen nicht aufnehmen. 32 Und gerade diese Strenge zeigt, wie wenig wir ihnen in unserer Veröffentlichung folgen können. Der ungarische feudale Reichstag entstand bekanntlich im Laufe des 13. Jahrhunderts, sein erstes bekanntes Dekret stammt aus dem Jahre 1267; würden wir also lediglich den Spuren der „vestigja comitiorum" folgen, müßten wir die außergewöhnlich bedeutende Gesetzgebung des 11. Jahrhunderts ausschließen. Noch lange Zeit nachdem der Reichstag als Institution zustande gekommen war, wurde es kein Verfassungsgrundsatz, daß der König für das ganze Land verbindliche Normen nur mit dessen Ubereinstimmung setzen konnte. Wie unser Band gerade zeigt, wurde dieses Prinzip als Ergebnis der wechselvollen Kämpfe, die die herrschenden Schichten untereinander und mit dem König führten, um die Mitte des 15. Jahrhunderts spruchreif; seine Rückblendung auf ältere Zeiten wäre also ein unhistorisches, den Kreis der Quellen grundlos einschränkendes Vorgehen. Mit der überlieferten Auffassung, die auch die Redakteure des millennaren CJH vertraten, brach als erster Ferenc Döry. Nach einem Überblick über die auf Ersuchen der Prälaten, Magnaten und der Adligen im 13. Jahrhundert erlassenen Dekrete erklärte er, daß diese „zweifellos als Gesetze angesehen werden können, es gibt jedoch königliche Dekrete mit allgemein verbindlichen Bestimmungen, die nicht vom Reichstag, sondern lediglich aufgrund einer Besprechung mit dem Hochadel oder jenen, die gerade am königlichen Hof anwesend waren, erlassen worden sind. Der Reichstag war nämlich nicht immer, vor allem nicht in drin32 S. für ausführliche Beweisführung: J.N. Kovachich: Notitiae praeliminares .. .pp. 108-125.