Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)
Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges
angesehn wurden — zu beleuchten, sondern um zu illustrieren, wie sehr die ganze Friedenspolitik des österreichisch-ungarischen Außenministers auf dem vollen Vertrauen der deutschen Staatsmänner beruhen mußte. Heute sind auch die Details jener Ereignisse bekannt, von denen sich ein großer Teil am Tage des Kronrates (teilweise zur selben Stunde, an der vormittags der gemeinsame Ministerrat tagte) in Laxenburg abgespielt hatte. Karl empfing zu dieser Zeit seinen Schwager, den Prinzen Sixtus von Parma, den er zu Verhandlungen über eine Waffenstreckung der Monarchie bzw. einen mit der Entente abzuschließenden Separatfrieden ermächtigte. Der Geist dieser Ermächtigung stand in diametralem Gegensatz zu den Instruktionen, die er zur gleichen Zeit dem verantwortlichen Führer der Außenpolitik gegeben hatte. Das Wesentliche in der Ermächtigung war, daß die Monarchie auch auf Kosten des Deutschen Reiches zum Frieden bereit war. Der gemeinsame Kronrat bezeichnete als wichtigstes Element der Friedenspolitik des Außenministers die Garantie des Deutschen Reiches für die territoriale Unversehrtheit der Monarchie, der Herrscher der Österreichisch-Ungarischen Monarchie aber wollte zur selben Zeit, unter Mißachtung des einstimmigen Beschlusses seiner höchsten Ratgeber und jedes Friedensfühlers des verantwortlichen Führers der Außenpolitik des Reiches, der Verstümmelung des damaligen Territoriums des Deutschen Reiches (Überlassung Elsaß-Lothringens) zustimmen und mit Frankreich in der Frage des Friedens übereinkommen. Der gemeinsame Minister des Äußern hat, aller Wahrscheinlichkeit nach, nichts davon gewußt, daß der Monarch auf eigenen Wegen den Frieden suchte, 199 und sich so von der durch die verfassungsmäßigen Organe Österreich-Ungarns gebilligten und durch den gemeinsamen Außenminister vertretenen Politik distanzierte. 200 Dieser Schritt des Herrschers der Österreichisch-Ungarischen Monarchie beleuchtet, in die Ereignisse eines einzigen Tages zusammengefaßt, den Gegensatz zwischen dem beschleunigten Tempo der Kriegsereignisse, in diesem Fall der Notwendigkeit eines baldigen Friedensschlusses, und der Schwerfälligkeit der Verfassungsstruktur der Monarchie. Im Laufe dieser Ereignisse erscheint die gemeinsame Ministerkonferenz nur mehr als ein beratendes, begutachtendes Organ. Die Macht des Herrschers hat, als Überrest des Absolutismus, den in der bürgerlichen Verfassungsstruktur zur Verrichtung der Aufgaben der höchsten Regierung berufenen gemeinsamen Ministerrat beiseite geschoben. Die Macht war von der Person, die sie ausübte, unabhängig. Der Exponent der im Hintergrund tätigen gesellschaftlich-wirtschaftlich-politischen Kräfte konnte ein gealteter Monarch, ein in idealistischen Illusionen lebender, unbedachter junger Kaiser und König oder ein Berufsdiplomat ohne besondere Begabung sein. Den Spalt, durch welchen — mit Hilfe dieser Exponenten — die an den Absolutismus erinnernden Kräfte tätig waren, hatten die im Ausgleich oberflächlich gestalteten Staatsorgane offen gelassen. Der überkomplizierten Einrichtung der Monarchie ist in dieser Form des Rest-Absolutismus unter den tragischen Ereignissen des ersten Weltkrieges die moderne Technik über den Kopf gewachsen. Im nun Folgenden werden wir untersuchen, wie dies geschehen ist. Unsere Daten wollen wir möglichst so gruppieren, daß wir klar erkennen, worin die Funktion des gemeinsamen Ministerrates bestand. (Schon aus dem bisher Gesag-