Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)

Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges

ten ist ersichtlich, daß sowohl die Zuständigkeit wie auch der Wirkungskreis des gemeinsamen Ministerrates niemals eindeutig festgelegt wurden und daß diese auch im Laufe der Ereignisse des Weltkrieges keine schärferen Konturen erhalten haben, wo aus dieser Mangelhaftigkeit des Ausgleichswerkes unzählige Miß­verständnisse und Schwierigkeiten erwachsen sind. 201 Deshalb will ich schon im vorhinein darauf hinweisen, daß unsere Daten nur zur Bestimmung der Funktion des gemeinsamen Ministerrates ausreichen, nicht aber zur genauen Definition seiner Zuständigkeit und seines Wirkungskreises. XIV Die Ereignisse des Weltkrieges wuchsen durch die Technik mit ihren dringenden militärischen und wirtschaftlichen Anforderungen und durch die Dimensionen der Amtsführung dem gemeinsamen Ministerrat über den Kopf. Unter Dimen­sionen der Amtsführung verstehe ich, daß bei Entscheidungen in gewissen Sachen, die letzten Endes am Verhandlungstisch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie erledigt werden sollten, diese den Kreis des höchsten Regierungsorgans des Habsburgreiches übertraten. Es geschah nämlich, daß sich die Regierung des Deutschen Reiches bzw. die auf die Reichsregierung einen entscheidenden Einfluß ausübende Deutsche Oberste Heeresleitung in Angelegenheiten, die auf höchster Ebene vor den gemeinsamen Ministerrat der Monarchie gehörten, mit stets zunehmendem Gewicht einmischte. 202 Die Funktionsschrumpfung und den Gewichtsverlust des höchsten Regierungs­organs der Monarchie betrachte ich auf diese zwei Punkte eingeschränkt, damit die Zusammenhänge, auf die ich in der Einleitung bereits verwiesen habe, aus den um gewisse Probleme verdichteten Daten klarer hervorgehen. Die stete Ver­minderung des Gewichtes des gemeinsamen Ministerrates bzw. die Verzerrung seiner Funktion kann im Endergebnis darauf zurückgeführt werden, daß innerhalb der Monarchie zum Nachteil Ungarns die Wirtschaft und besonders die Technik Österreichs wesentlich entwickelter war, und innerhalb des Lagers der Zentral­mächte zum Nachteil der Monarchie die des Deutschen Reiches. Durch die bis dahin unbekannt schnelle Entwicklung der Technik (der Kriegstechnik) kamen die technisch entwickelteren Parteien unvermeidlich zu einer größeren Rolle. 203 Durch den Dreibund wurde Österreich-Ungarn auf eine engere Zusammen­arbeit mit dem Deutschen Reich verwiesen. Die Zusammenarbeit bedeutete in den meisten Fällen, daß die Wirtschaft der Monarchie stark auf die Hilfe Deutschlands angewiesen war. Dies zeigte sich in stärkstem Maße im Einströmen des deutschen Kapitals nach Österreich. Bei den Beratungen der gemeinsamen Ministerkon­ferenzen kam während des Weltkrieges wiederholt zur Sprache, daß die Wirt­schaft Österreich-Ungarns, besonders die Spezialisierung seiner Industrie ohne Hilfe des deutschen Kapitals unvorstellbar sei. 204 Bei Ausbruch des Weltkrieges waren also in ihren Elementen alle wirtschaft­lichen und politischen Voraussetzungen gegeben, die dem Deutschen Reich in der Verwaltung der lebenswichtigen Angelegenheiten der Habsburgmonarchie einen immer stärker werdenden Einfluß sicherten. In der Auslösung der militäri-

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