Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)
Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges
Lösung den Delegationen nicht offen unterbreitet. Diese Frage wurde auf gemeinsamer Ministerratsebene behandelt. Drei Jahrzehnte später trat der gemeinsame Minister des Äußern mit einem weiteren Kettenglied desselben Problems vor ein noch engeres Gremium. Als würde man die dreißig Jahre früher erklungenen Worte Gyula Andrássys hören : keine Gelegenheit für viel Rederei bieten. Nicht einmal so viel, wie damals im Okkupationsjahr. Auf das Konzept des Protokolls über die engere Besprechung schrieb Aerenthal eigenhändig : geheim. An der Besprechung hatten dieselben Minister teilgenommen, die zum gemeinsamen Ministerrat gehörten. Trotzdem waren sie vom Minister des Äußern nicht zu einem gemeinsamen Ministerrat eingeladen worden. Er wünschte keinen Regierungsbeschluß, sondern wollte nur ihre Ansichten wissen. Die Frage anzuschneiden, war nicht nur heikel, ihre Lösung barg große Gefahren in sich. Natürlich hatte der Minister des Äußern, der die »Lösung« als großes diplomatisches Werk seines Lebens betrachtete, diese so vorbereitet, daß die zu erwartenden Hindernisse schon vorher weggeräumt worden waren oder zumindest auf dem Wege zur Lösung umgangen werden konnten. Ohne Zweifel, hätte die Annexion auf dem von der Verfassung der Monarchie vorgeschriebenen Wege nur nach stürmischen Debatten, schweren Erschütterungen durchgeführt werden können oder wegen der nach den Debatten verschärften außenpolitischen Situation überhaupt unterbleiben müssen. In den Delegationen, besonders aber in den Parlamenten, vor allem natürlich im österreichischen Parlament hätte man einen derartigen Antrag kaum glatt durchbringen können. 157 Alle Mittel der Geheimhaltung wurden nicht zuletzt deshalb angewendet, weil Aerenthal die Welt mit der Annexion vor eine vollendete Tatsache stellen wollte. 158 Dabei fühlte sich der Außenminister durch die erfolgreiche Uberraschungs- und Verblüffungspolitik großer Staatsmänner, wie Metternich, Bismarck und anderer angezogen. Der Durchsetzung des Prinzips »ein Geist, ein Wille« stellte die siebenundsechziger Verfassung Aehrenthal nicht einmal so viele Hindernisse in den Weg, wie dreißig Jahre vorher dem Grafen Gyula Andrássy. 159 Nach den Schicksalsjahren 1878 und 1908 wenden wir uns nun dem Jahr 1914 zu, dem dritten Schicksalsjahr im letzten halben Jahrhundert der Monarchie, das das Los des Habsburgreiches besiegelte. Bevor wir jedoch die aus unserem Gesichtspunkt, der Funktionsfähigkeit des durch den Ausgleich geschaffenen Regierungsapparates interessanten Tatsachen untersuchen, ist es vielleicht geboten, die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen in den wesentlichsten Momenten zusammenzufassen. So weit wir das Amt des Ministers des Äußern der dualistischen Monarchie in die Vergangenheit zurückverfolgen, sehen wir, daß die Hände des Lenkers der Außenpolitik bei der Regelung des Wirkungsbereichs der höchsten Regierungsorgane jeweils durch Anordnungen, Statuten und Richtlinien des Herrschers nur sehr locker gebunden wurden. Geregelt wurden, sagen wir, die fachlichen Details seiner Tätigkeit, abgegrenzt wurde jener Teil seiner Agenden, die mit dem Vorsitz in den Ministerkonferenzen zusammenhing usw., doch wurde er nie und nirgends verpflichtet, über die Prinzipien, Methoden, Ziele seiner Außenpolitik, über seine entscheidenden Entschlüsse mit voller Verantwortung und zur rechten Zeit parla-