Mitteilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 7. (Dritte Folge, 1911)

Hauptmann Bartsch: Zur Psychologie des Vaters Ferdinands von Schill

26 Bartsch. Da nun jener Mann, Ferdinand von Schill, im ganzen Bilde seines Lebens ein auffallend einseitiges Uberwiegen des Temperaments erkennen läßt, während sein Intellekt, an sich schon nicht viel über das Mittelmaß íagend, von ihm ganz ungenügend geübt und ohne besondere Bildung gelassen wurde, so blieb jenem Unterfangen, klüger als der oberste Kriegsherr sein zu wollen, etwas Pathologisches auf­geprägt. Bloß vom Standpunkte eines Auditors gesehen, wäre jene Tat eine der grassesten Felonien, welche die Geschichte der soldatischen Unterordnung und Selbstdisziplin kennt. Daß sie im Gelobten Lande der Subordination, in Preußen geschah, erhöht den beinahe krankhaften Eindruck, den sie macht: Ein unbändiger Wille, über den ein von roman-. tischen Heldentumsgedanken verwirrter Intellekt nicht mehr Wache zu halten vermochte, begeht eine unzweifelhafte Heldentat, an der das Temperament fast allen, der Kopf fast keinen Anteil hat. „Ich muß, ich muß!” dieses zur fixen Idee gewordene Wort Schills in seiner kritischen Zeit hieß nach den ge­heimsten Quellen jenes Müssens forschen, jenes Zwanges, dem er nicht zu widerstehen vermochte. Es darf hier sogleich gesagt werden, daß sich als fast gänzlich aufklärende Lösung, schwere Belastung durch das väterliche Blut ergab. Schills Vater war ein Mann, bei dem, neben zügellosem Temperament, beinahe gänzlich jene wohltätige Hemmung fehlte, die der klare Lenker eines echten Menschenlebens, eine tüchtige, wohlgeschulte Intelligenz, auf den allezeit kindischen Willen ausüben soll. Die Forschung nach den Eltern Ferdinands von Schill war eine zeitraubende und undankbare. Es gelang nicht, ihre Taufmatriken aufzutreiben; von Schills Mutter fehlen die dürftigsten Nachrichten und selbst der Mann, von dem hier die Rede sein soll, vermochte die Linie seines Lebens in die Aufmerksamkeit seiner Zeit nicht so tief einzugraben, daß wir sie in ihren Resten, den Archivbeständen zu verfolgen vermögen. Nur da und dort taucht seine Gestalt auf, fast stets von scharfer Abneigung der übrigen Menschen ganz kurz gekennzeichnet.

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