Mitteilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Dritte Folge, 1906)

Hauptmann Just: Das Herzogtum Warschau von seinen Anfängen bis zum Kampf mit Österreich 1809

Das Herzogtum. Warschau. 57 Um Österreichs und Rußlands Mißtrauen zu beschwichtigen, vertraute Napoleon diesen Keim eines polnischen Reiches keinem Prinzen seines Hauses an. Einen Polen zum Herrscher einzusetzen, dünkte ihm aber auch gefährlich, denn wie leicht konnte ein solcher in entscheidenden Momenten sich Rußland anschließen. Warschau in der Hand des Königs von Sachsen war daher die beste Lösung aller politischen Bedenken. Zwei Könige aus dem Kurhause Sachsen hatten bereits die polnische Krone getragen, die Konstitution vom 3. Mai 1793 Friedrich August auf den Thron berufen, falls Stanislaus August Poniatowski kinderlos sterben würde. Neben dem Vorteil, das arme Land einem reichen Staate anzugliedern, gab der Kaiser der Nation einen Herrscher, den sie einst selbst ge­wünscht hatte, und sicherte sich selbst einen treu ergebenen Lehensmann. Für Sachsen bedeutete die Erwerbung des Herzogtums nur eine scheinbare, rein äußerliche Machtvergrößerung. Eine im Jahre 1792 erschienene Schrift „Uber die Annehmung der polnischen Krone” hatte mit Geschick die Gründe zu widerlegen gesucht, welche den Kurfürsten zur Annahme der ihm angebotenen Königswürde hätten bewegen können. Was der Autor damals sagte, paßte auch auf das Herzogtum Warschau. „Der Glanz dieser Krone — ein schwaches Licht in dicker Finsternis. Den deutschen Erbländem Vorteile zu verschaffen — man bietet dir herkulische, undankbare Arbeit, Gefahr und Bekümmernis. Polen ist eine erst im Werden begriffene Macht, seine Krone ziert nicht, ohne mit Sorge zu erfüllen.” Die leise Hoffnung, Sachsen könne dazu berufen sein, in Norddeutschland an Preußens Stelle zu treten und eine führende Rolle zu spielenx), vergiftete die Beziehungen zu ') Dieses Ziel zu erreichen, bildete den Angelpunkt der säch­sischen Politik, als 1809 der frühere Gesandte in Paris Graf Senf ft die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernahm. In kaum be­greiflicher Verkennung aller geschichtlichen Verhältnisse trug sich derselbe mit dem Plane, auf den Trümmern des, wie er meinte, für immer und ohne Bettung verlorenen preußischen Staates eine neue sächsisch-polnische Zentralmacht in Europa aufzurichten. Siehe darüber Oncken, II, 234.

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