Mitteilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs 4. (Dritte Folge, 1906)

Hauptmann Just: Das Herzogtum Warschau von seinen Anfängen bis zum Kampf mit Österreich 1809

8 Just. so manche polnische Patrioten erträumt hatten, war freilich in diesem Zeitpunkt für ihn rinmöglich. So schuf er denn das „Herzogtum Warschau” unter dem Zepter König- Friedrich Augusts von Sachsen, einen Staat bedeutsamer in dem, was er in Zukunft erhoffen und befürchten ließ, als was er zur Zeit verwirklichte. Rußland und Österreich sollten in ihm keinen Grund zur Besorgnis für ihren polnischen Besitz erblicken können. Napoleons Kombinationen mit dem „Werte” .Polen er­wiesen sich jedoch dem Gange der Ereignisse nach als verfehlt. Das neue Herzogtum erschien beiden Kaiser­staaten nicht bloß als eine ständige Drohung, sondern auch als Gefahr für die innere Ruhe der angrenzenden Provinzen. Die Wellen nationaler Einheitsbestrebungen konnten nur zu leicht die Grenzen überfluten, wie die Ereignisse des Jahres 1809 in Alt- und Neugalizien dem Wiener Kabinett bewiesen. Die polnische Frage beschleunigte aber auch den Bruch mit dem Zaren Alexander I. Durch Blut und Eisen wurde in der Folge über das entschieden, was der Tilsiter Friedensvertrag so schön zu Papier gebracht hatte. Selbst die Polen waren in ihren Hoffnungen durch die Schöpfung des Herzogtums bitter enttäuscht worden. Politisch und wirtschaftlich unreif, vermochte die Nation nicht, den inneren Gehalt der neuen Verfassung sich zu eignen. Fremd­artig wie der Name ihres Staates blieben den Polen auch alle Einrichtungen desselben. Nur die Armee war vom Geist der Nation in vollem Strom durchdrungen, sie repräsentierte das alte Polen in der Begrenzung des neuen Herzogtums. Die Entstehung und Entwicklung derselben zu schildern, ist Zweck vorliegender Arbeit. Universalgeschichtlichen und wirtschaftspolitischen Ausführungen sollte nur Raum gegeben sein, soweit sie zur Beleuchtung der militärischen Einrichtungen oder Würdigung der führenden Personen dienen konnten. Da die Maßnahmen der Warschauer Regierung bis zum 15. April 1809, dem Tage des Einmarsches der kaiserlich österreichischen Truppen in das Gebiet des Herzogtums, zur Darstellung gelangen, so mögen die nachstehenden Ausführungen als kleiner Beitrag zur Vorgeschichte des „Österreichischen Befreiungskrieges” gelten. ______

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