Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 1. (1898)
Die Fuss-Truppen - I. Infanterie - Die Chargen und ihre Obliegenheiten
96 — Ergänzung der Regimenter mit Aufbringung von Recruten durch die Stände der kaiserlichen Erblande eingeführt. Dies war eine durch die fortgesetzte finanzielle Bedrängniss des Staates herbeigeführte Massregel. Da die von den Regimentern am Schlüsse eines jeden Feldzugsjahres benöthigten Summen zur Ergänzung der Abgänge (Recrutierung) beinahe nie zu rechter Zeit flüssig wurden, da auch die Contributionen (Landtags-Bewilligungen) oft Monate später erst eingiengen, die Werbung sohin erst im nächsten Jahre, also kurz vor Beginn der Operationen vorgenommen werden konnte, wodurch die Schlagfertigkeit des Heeres beeinträchtigt wurde, beschloss man, die Stände selbst zur Aufbringung der Recruten zu verhalten. Die Regimenter reichten gegen Ende des Jahres das Verzeichniss über ihren Bedarf an Recruten dem General-Kriegs-Commissariat ein. Dieses ermittelte die Gesammtzabl der erforderlichen Recruten, sowie den Bedarf an Werbegeldern1) und theilte das Ergebniss dem Hofkriegsrathe und der Hofkammer mit. Die Geldstunmen oder die direct auszuhebenden Recruten wurden dann auf die einzelnen Länder und von diesen auf die Städte, Herrschaften und Gemeinden repartiert. Die Truppen-Commandanten zogen im Allgemeinen die Zuweisung von „Land-Recruten”, wie die auf diese Art den Regimentern zugeführten Ersatz-Mannschaften genannt wurden, jener der Recrutengelder vor, weil durch die Werbung stets viele Officiere dem Dienste auf längere Zeit entzogen wurden und die Stellung im Inlande sich leichter überwachen und beschleunigen liess. Ein TIebelstand hiebei war, dass die gestellten Recruten leichter zur Desertion geneigt waren, als jene, welche freier Wille unter die kaiserlichen Kalmen geführt hatte; ein weiterer bestand darin, dass, bei dem Mangel einer gleichmässig geregelten Administration der Länder, die Recruten-Transporte oft monatelang brauchten, bis sie zu ihren, meist auf entfernten Kriegs-Schauplätzen (so in Italien, am Rhein) kämpfenden Regimentern gelangten, so dass oft der ganze Feldzug verstrich, ehe sie bei denselben eintrafen* 2). Nachdem von 1657—1697 den Regiments-Commandanten die Montursgebühr in Geld erfolgt, sohin die Bekleidung der Recruten aus Eigenem eingestellt worden war, erscheint in dieser Periode das Werbegeld selbst viel geringer normiert als im 30jährigen Kriege, so z. B. in den Capitulationen über Errichtung der Regimenter Serényi (Nr. 25), Württemberg- und Leslie (Nr. 35 und 36) aus den Jahren 1672 und 1683 mit 12 Reichsthalern3). Von 1697 an erfolgte die Bekleidung der Recruten in der Form, dass das Werbegeld wieder u. zw. für den Infanteristen auf 30 (35) Reichsthaler oder 45 — 50 fl. erhöht wurde, doch musste von diesem die erste Anschaffung der Montur und des Seitengewehres bestritten werden. Da jedoch von diesem Werbegelde die Reise des Recruten vom Werbeplatze zum Regimente, sowie auch der Unterhalt und die Reise des Werbe- Commandanten, dann seines Personals bezahlt werden musste, so war das eigentliche ,,Handgeld” oft sehr gering und wurde oft nach Anbot und Nachfrage bemessen. Bezüglich des Vorganges bei der Recruten-Werbung gab es keine bestimmten Normen, wodurch oft Missbrauche entstanden, oder die Recruten in ihren Gebühren verkürzt und mit ungenügender Verpflegung und mangelhaft bekleidet zu den Regimentern abgesendet wurden. Endlich bestand zu Beginn des 18. Jahrhunderts bezüglich der Ergänzung der sogenannten „deutschen” Regimenter die Norm, dass vorzugsweise Recruten aus den Erblanden und dem Römischen Reich genommen wurden u. zw.: „Leute, welche unmangelhaft, genügsam, stark und tüchtig waren das Obergewehr zu tragen und zu gebrauchen, weder zu jung noch zu alt seien; es J) Die Anforderungen richteten sich nach den Verlusten des letzten Feldzuges und nach den, für die im kommenden Jahre beabsichtigten Operationen nothwendigen Verstärkungen oder Neu-Errichtungen. 2) Auch erhielten selbe mitunter anderweitige Bestimmungen; so wurde eine Anzahl von Land-Becruten aus Mähren and Schlesien, für die Begimenter in Italien bestimmt, 1704 in Ermanglung anderweitiger Streitkräfte gegen die Bebelien in Ungarn verwendet, ähnlich in Ober-Oesterreich 17013/4 u. A. 3) Das Seiten- und Obergewehr wurde vom Aerar beigestellt.