Mittheilungen des k.u.k. Kriegs-Archivs - Supplement. Geschichte K. und K. Wehrmacht 1. (1898)
Die Fuss-Truppen - I. Infanterie - Die Chargen und ihre Obliegenheiten
— 95 die Alternative stellte, entweder um jeden Preis Frieden zu schliessen, oder in steter Abhängigkeit von der Liga zu verbleiben, erbot sich 1625 Waldstein, den der Kaiser seiner kriegerischen Verdienste wegen 1623 in den Fürsten-Stand und ein Jahr später zum Herzog von Friedland erhoben hatte, das im Grossen a.iszutühren, was ein Jahrhundert früher ein Frundsberg, Schärtlin u. A. und im gegenwärtigen unbedeutende Fürsten, wie Mansfeld, im Kleinen unternommen hatten, nämlich ein ganzes Heer durch Werbung auf eigene Kosten aufzubringen, wozu er nur die Werbe-Patente und das Recht, alle Officiere zu ernennen, forderte. Der ihm vorangehende Ruf als geübter Kriegsmann, das reichliche Handgeld, welches er aus seinem eigenen Vei mögen spendete, die Aussicht auf gute Quartiere und Beute brachte bald ganze Schaaren von Abenteurern, Rauflustigen u. A. aus aller Herren Ländern unter seine Fahne und bald betrug sein Heer bei 30.000 Mann, welche sich auf Kosten der Länder, die sie durchzogen, ernährten. Waldstein ernannte zuerst aus ihm bekannten, erprobten Kriegsleuten die Obriste, welchen er die Werbung der Regimenter auftrug und übergab einem Jeden, der damaligen Stärke des Regiments entsprechend, 10 Patente zur Anwerbung der einzelnen Fähnlein (Compagnien). Die Obriste sandten wieder ihre Hauptleute oder andere Officiere als sogenannte „Werbe-0 fficiere” aus. Das damals übliche System der öffentlichen Werbung)) hat sich bis in das 18. Jahrhundert erhalten. Dieselbe wurde durch Werbe-Officiere ausgeführt, welche in Begleitung eines Spielmannes die zugewiesenen Werbe- Districte durchzogen und bekannt machen Hessen, unter welchen Bedingungen sie gekommen seien, Soldaten anzuwerben. Das Handgeld (in den Landsknechtzeiten Laufgeld genannt* 2), wurde mit den Recruten verabredet und richtete sich nach seinen physischen und moralischen Eigenschaften, nach der Grösse und dem Ansehen des Mannes. Im 30jährigen Kriege betrug dasselbe für den Infanteristen circa 25 Reichs- thaler oder 36 fl., doch musste der Recrut sich hievon bekleiden und seine Waffe mitbringen. Bei der Anwerbung für die Infanterie bestand keine gesetzlich normierte Dienstzeit, sie wurde fallweise zwischen dem Werbe-Ofncier und dem Recruten durch einen Vertrag, die Capitulation, vereinbart und konnte eine solche verlängert und erneuert werden. In den älteren Zeiten bis zum 30jährigen Kriege wurden selbe zumeist nur auf 6 Monate oder auf ein Kriegsjahr geschlossen. Später vielfach auf Kriegsdauer vereinbart, ergab sich, bei dem oft jahrelang andauernden Kriegszustand, in welchem sich die Länder und Heere des Kaisers befanden, auch eine auf unbestimmte Zeit verlängerte Dienstpflicht, was aber wieder anderseits die Gepflogenheit hervorrief, dass der Mann entlassen werden konnte, wenn man, wie bei Reductionen von Truppenkörpern (Reformierung oder Abdankung derselben am Ende eines jeden Kriegsjahres) seiner für den Augenblick nicht mehr bedurfte. Aus diesem Anlasse kam es anderseits aber oft wieder zu Widersetzlichkeiten und Excessen seitens der abzudankenden Mannschaft und waren die, oft länger sich beschäftigungs- und erwerbslos herumtreibenden Soldaten3) eine gefürchtete Plage der Stadt oder Gegend, wo eben die Abdankung eines Regiments vorgenommen wurde. Werbe-System 1649—1748. Schon gegen Ende des 30jährigen Krieges, noch mehr im Laufe der späteren Kriege unter Kaiser Leopold I., wurde eine zweite Art der Zur Zeit Waldstein’s, in anderen Ländern auch noch ein Jahrhundert später, fand mitunter auch eine sogenannte ,,geheime Werbung” auf illegaler Basis statt; diese bestand darin, dass die Werber, meist verkleidet, in den nächsten Grenzorten junge Burschen durch List, Versprechungen, auch mit Gewalt zur Dienstannahme zwangen. 2) Jeder Ivriegsgeselle erhielt, sobald er in die Musterrolle eingetragen und ihm der Artikelbrief bekannt gegeben worden war, ein Stück Geldes „auf den Lauf”, um sich am festgesetzten Tage an dem bestimmten Sammelplätze einzufinden. 3) Man nannte diese, den Bettel in gewaltthätiger Weise Durchfuhr enden, ,,gartende Soldaten”.