Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
94 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. seitdem Russland das Schiedsricliteramt in Angelegenheiten des deutschen Reiches in die Hände gespielt wurde. Uber das Mehr und Weniger des von Österreich zu erwerbenden bayerischen Gebietes feilschte sie nicht. Die orientalische Frage stand noch immer im Vordergründe der Politik Russlands und bei ihrer Lösung war Österreich ein viel nützlicherer Bundesgenosse, als Preussen. Die Czarin rieth demzufolge zur Nachgiebigkeit. Am 10. Februar überreichte der Fürst Repnin dem Wiener Hofe eine preussische Note, in welcher die österreichischen Vorschläge im Allgemeinen angenommen wurden. Diesem Ultimatum ertheilte Fürst Kaunitz sofort seine Zustimmung und schlug Troppau oder Jägerndorf als Congressort vor. Hingegen willigte der König in den Abschluss eines Waffenstillstandes unter der Bedingung, dass die beiderseitigen Armeen in ihren gegenwärtigen Stellungen bis zur Herstellung des Friedens verbleiben sollten und beantragte Teschen zum Versammlungsorte des Congresses. Dieser Vorschlag, von den betheiligten Mächten am 28. Februar gutgeheissen, wurde sodann durch die Eröffnung des Congresses am 10. März in dem für neutral erklärten Teschen verwirklicht. Trotz des gegenseitigen Entgegenkommens der Mächte hatten die Friedensverhandlungen mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, da Meinungsverschiedenheiten auszugleichen und diametral entgegenstehende Ansprüche zu befriedigen waren. Der Kurfürst von Sachsen bewerthete seine Forderungen an Bayern auf 12 Millionen Thaler, während der kurpfälzische Gesandte sich zur Zahlung von höchstens 1 Million herbeilassen wollte.. Friedrich II. nahm sich der Sache des Kurfürsten von Sachsen an; auch für seinen zweiten Bundesgenossen, den Herzog von Zweibrücken, suchte er Vortheile herauszuschlagen, indem er verlangte, dass dieser, obgleich nur voraussichtlicher Erbe, unter die Paciscenten aufgenommen werde. Der Wiener Hof lehnte diese Zumuthung ab und erweiterte durch Aushebung von 80.000 Mann seine Kriegsvorbereitungen. Anfangs April waren indessen die Dinge soweit geregelt, dass nur noch die preussische Garantie und die Accession des Herzogs von Zweibrücken zu ordnen blieb. Fürst Kaunitz hatte am 26. März von Kaiser Josef die Weisung erhalten, die erstere zu verweigern und auf der letztem zu bestehen. Am 10 April wiederholte er diesen Auftrag, aber die Kaiserin, welche den Abschluss des Friedens herbeisehnte, war anderer Meinung. Sie schrieb an den Staatskanzler: „retten sie die Monarchie“, und Fürst Kaunitz ertheilte dem österreichischen Friedensunterhändler in Teschen, dem Grafen Cobenzl, am 10. April die Vollmacht, zum Abschlüsse des Friedens unter der Bedingung zu schreiten, dass entweder Preussen auf die Garantie Verzicht leiste, oder dass dieselbe von Österreich und Preussen gemeinschaftlich über