Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

215 Unermüdlich hielten die heroischen Vertheidiger die Wacht auf dem Walle, während unter ihren Füssen die todtbringende Mine ge­legt wurde, unverdrossen kämpften sie Tag für Tag gegen einen fana­tischen Feind, der wüthend jede entstandene Bresche anlief, und wenn sich ihre Reihen merklich lichteten, wandte sich ihr Blick hoffnungs­voll gegen den Kahlenberg, von wo die Erlösung kommen sollte. Ein heftiger Gewitterregen unterbrach am Vormittage des 28. August das schon seit 4 Uhr Morgens begonnene Feuer der Belagerer, welche Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr eine Mine an der rechten Ravelin-Face sprengten, und die hiedurch geöffnete Bresche sofort stürmten, jedoch mit Kartätschen zurückgewiesen wurden. In der Nacht liess FZM. Starhemberg am Stephansthurme 36 Raketen steigen. In Folge des fortdauernden Regens war das feindliche Geschütz am nächsten Tage ziemlich schweigsam; dennoch fielen etwa 50 Schüsse auf die Stephans- und Minoritenkirche, welche augen­scheinlich den Türken als Zielobjecte dienten. Diesen Tag (29. August, Johann des Täufers Enthauptung) hielten die Türken von jeher für besonders geheiligt und glückbringend (der Jahrestag von Rhodus, Belgrad, Ofen, Schlacht von Mohács), weshalb die Besatzung, eines grossen Sturmes gewärtig, in vollster Bereitschaft am Walle stand. Diese Voraussetzung traf jedoch nicht ein. Um 9 Uhr Vormittags sprang eine grosse Mine bei dem schon „wie ein Ameishaufen zerwühlten“ Burg-Ravelin, durch welche er beinahe gänzlich zerstört und circa 100 Mann der Besatzung getödtet wurden; 300 bis 400 Türken liefen über den Schutt an, wurden aber durch das Kartätsehenfeuer des Walles, sowie durch die Sensen der kleinen Besatzung des Ravelin eiligst zurückgetrieben. Diese helden- müthige Besatzung sah sich durch die verheerenden Wirkungen der zahlreichen Minen auf einen kleinen, von Palissaden umgebenen Platz (Reduit) eingeschränkt, der an der Kehlmitte sich befand. Die Geschütze des Ravelin waren nach und nach in Sicherheit gebracht worden und befanden sich nunmehr auf der Courtine. Um 12 Uhr sprengte eine Mine die Contrescarpe an der rechten Face der Burg-Bastion, doch wurden nur einige Palissaden umgeworfen. FZM. Starhemberg liess noch alle vorräthigen Fusseisen, Hand­granaten *), in Pech getauchtes Brennholz und Pechkränze an die meist ') Die von Kielmannsegg erfundene neue Handgranate wurde erst nächsten Tags durch FZM. Kapliers und Starhemherg geprüft. Sie bestand aus einer mit Ochsenblut versetzten Masse, welcher man eine Härte und Sprödigkeit zu geben wusste, die jener der Granate aus Glas nicht nachstand.

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