Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens
214 welcher an der Waag stand, beauftragt, zu ihm zu stossen, was dieser, welcher sich gegenüber dem Könige von Polen verpflichtet hatte, nicht an der Belagerung von Wien theilzunehmen, glücklicherweise unter- liess *). In der That, sowohl FZM. Kapliers als Starhemberg hatten in ihren Berichten die allgemeine Lage der Stadt nicht übertrieben. Die feindlichen Geschosse, noch mehr aber die tückische Ruhr lichteten die Reihen der tapferen Besatzung zusehends; viele Wallstrecken, von zahlreichen Minen durchwühlt, konnten nur nothdürftig ausgebessert werden. Die ganze Contrescarpo, vom Burg- bis fast zum Schottenthore, glich einem Schutthaufen, vom unterwühlten Burg-Ravelin nicht zu sprechen, dessen schliesslicher Fall unabwendbar, und nur mehr eine Frage von Stunden schien. An der Burg-Bastion, der anstossenden Courtine und der schon arg beschädigten Löbel-Bastion begann nun der feindliche Mineur seine unheimliche Arbeit; diese Mine sollte den Vertheidiger seiner letzten Brustwehr berauben. Die nahen Häuser der Löbel-Strasse waren sämmtlich übel zugerichtet; besonders wies das später sogenannte „Türkenhaus“, an welchem zum Andenken ein Türkenkopf angebracht wurde, bedeutende Beschädigungen auf. Állmaiig begann grosse Noth an Lebensmitteln einzureissen, welche besonders dem Bürgerstande und den Unbewaffneten harte Entbehrungen auferlegte, während die Kämpfer, wie billig, wenigstens geräuchertes Fleisch als Kost bekamen. Von den grossen ursprünglichen Vorräthen musste Vieles als verdorben beseitigt werden. Ein Pfund Rindfleisch, das im Juli noch 6 Kreuzer gekostet, war jetzt nicht um 15 Kreuzer zu haben, für ein Ei mussten 10 Kreuzer gezahlt werden, etc. 2). Alle diese ungünstigen Umstände wären nicht wenig geeignet gewesen, den bisherigen Mutli und die entschiedene Zuversicht der Ver- theidiger Wiens zu schwächen und zu untergraben; allein gerade in den letzten blutigen Kämpfen bewies die tapfere Besatzung, was sie dem Kaiser und dem Reich schulde, und wie wenig äussere Momente den guten Geist einer für eine edle Sache kämpfenden Truppe zu beugen vermögen. *) Das betreffende, in lateinischer Sprache abgefasste Schreiben Kara Mustapha’s befindet sich im k. k. Haus-, Hof- und Staats-Archive unter „Polonica“. 2) Am 9. September hatten die Lebensmittelpreise bereits eine enorme Höhe erreicht. Das Pfund Rindfleisch kostete 24 Kreuzer, eine Gans 4 Gulden (im Juli 54 Kreuzer etc.