Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

36 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. der Iser-Armee begeben, um dem Gegner das Vordringen in das Herz von Böhmen streitig zu machen. Es sei immerhin möglich, dass der Feldmarschall noch Mittel und Gelegenheit finde, die feindliche Offensiv-Bewegung auf längere Zeit zum Stehen zu bringen, und die österreichische Diplomatie in den Stand zu setzen, den Frieden, wenn er schon durchaus geschlossen werden müsse, zu vereinbaren, so lange die Armee noch in ihrer gegenwärtigen Position an der Elbe lagere und der König keine reellen Vortheile erkämpft habe. Loudon beab­sichtige von Kosmanos, wo er gegenwärtig stehe, eine Stellung zu beziehen, aus der er die Vereinigung der feindlichen Heere unter dem Könige und Prinzen Heinrich zu verhindern im Stande sei. Um die Absicht des Kaisers zu vereiteln, einer der beiden feindlichen Armeen eventuell eine Schlacht zu liefern, wandte sich die Kaiserin am 6. und 8. August an ihren Sohn und beschwor ihn, angesichts der im Gange befindlichen Friedensunterhandlungen zum Bruche derselben keine Veranlassung zu bieten. Man murre in Wien darüber, dass man Loudon geopfert; er habe 30.000 Mann Verstärkung verlangt, um dem Feind entgegenzugehen, da er nur 30.000 Mann unter seinem Befehle hatte; statt dessen sandte man ihm blos 10.000 Mann. So gross übrigens die Kaiserin auch den Feld­marschall v. Loudon an einem Schlachttage sich denke, so scheine er doch zur Leitung grosser Operationen die Eignung nicht zu besitzen. Zudem habe er das Unglück, Alles schwarz zu sehen und treffe keine glückliche Wahl in den Persönlichkeiten seiner Umgebung. Loudon bedürfe stets Männer, denen er nicht misstraue und die Zutheilung des FML. v. Rouvroi in dessen Hauptquartier sei eine vor­treffliche Massregel von Seite des Kaisers gewesen. In den Tagen vom 8. bis 13. August gab der Kaiser bekannt, dass Loudon seine Stellung hinter der Iser behaupte und Prinz Hein­rich mit der Hauptmasse seiner Streitkräfte noch immer bei Gabel stehe. Er beabsichtige, dem feindlichen Heerführer den Übergang über die Iser streitig zu machen, oder aber selbst das Ufer zu wechseln und ihn anzugreifen. Zu diesem Behufe würde er sich am 10. in das Hauptquartier des Feldmarschalls nach Münchengrätz begeben, wo am 12. die Wallonen-Regimenter von Prag eintreffen werden. Be­züglich Loudon’s pflichtete der Kaiser den Ansichten der Kaiserin bei. Inzwischen war der österreichische Friedensunterhändler Frei­herr v. Thugut, welcher am 6. August, nach Einlangen der Nach­richt vom Kaiser Josef in Wien, dass er den König angreifen werde, in das preussische Hauptquartier abgereist war, am 10. August in Wolsdorf eingetroffen. Nach einer längeren Unterredung mit Friedrich II. begab er sich sodann nach Braunau, in welchem Orte am 13. die Conferenzen eröffnet wurden. Der österreichische Bevollmächtigte stellte den Antrag, Österreich einen Gebietstheil Bayerns abzutreten,

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