Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

14 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. die Stellungen der beiden Heere wesentlich zu beeinflussen und zu ver­ändern. Bei den Scharmützeln und kleineren Zusammenstössen blieben die Preussen meistens im Nachtheile, da die besser berittenen kaiser­lichen Huszárén zahlreiche Gefangene einbrachten und dem Feinde eine Menge Soldaten ausser Gefecht setzten. Die österreichischen Streifparteien drangen im Rücken des feindlichen Heeres bis Neustadt und Nachod, unterbrachen die Verbindungen, überfielen die Transporte und hoben viele Posten und Detachements auf. Anfangs August litt die I. preussische Armee schon ausserordent­lich in Folge Mangels an Fourage und Proviant; Krankheiten und Desertionen verminderten beträchtlich ihre Stärke. Während des fünfmonatlichen Lagerlebens bei Wolsdorf steigerte sich der Abgang durch letztere allein auf 7000 Mann oder im Durchschnitte auf 200 Mann täglich. In den letzten Tagen des Monats Juli hatte jedes Regiment gegen 300 Kranke. Namentlich desertirten die preussischen Huszárén, der Unthätigkeit und vielfachen Entbehrungen überdrüssig, häufig. Im Gegensätze hiezu erhielt die k. k. Armee täglich Verstär­kungen an Recruten und aus entfernten Provinzen einrückenden neuen Regimentern. Ihre Stärke bezifferte sich in der zweiten Hälfte des Monats August wie folgt: Hauptarmee an der Elbe: 75 Bataillone, 111 Escadronen, 92.000 Mann, 19.000 Pferde. Iser-Armee unter London: 61 Bataillone, 91 Escadronen, 73.000 Mann, 15.000 Pferde. Corps in Mähren: 14 Bataillone, 20 Escadronen, 16.000 Mann, 3000 Pferde. Zusammen die k. k. Streitkräfte in 150 Bataillonen, 222 Esca­dronen, 181.000 Mann mit 37.000 Pferden streitbar. Die Verhältnisse bei dem feindlichen Heere waren dem Ober- Commando der österreichischen Armee im grossen Ganzen bekannt. Nichtsdestoweniger herrschte einen Augenblick lang im Hauptquartiere des Kaisers die Besorgniss vor, der erste heftige Anfall der Preussen würde nur schwer abzuweisen sein und könnten hiedurch die nächsten Operationen einen unglücklichen Verlauf und Ausgang nehmen, wie aus dem Nachstehenden zu ersehen ist. Nachdem der Kaiser, in dem ersten Drittel des Monats Juli, über den Vormarsch Friedrich’s II. gegen die Elbestellung in drei Colonnen, wovon eine bei Trautenau in Böhmen einzubrechen bestimmt sei, sowie über die Lagerstellung der Preussen bei Wolsdorf an die Kaiserin berichtet, fügte er hinzu: „Der Gegner dürfte bald, da er an Fourage Mangel leidet, denVersuch machen, das k. k. Heer mittelst Manöver oder kräftiger Vorstösse aus seinen Positionen zu vertreiben.“ In dem nächsten Berichte vom 11. Juli schildert er die militärische Lage als sehr kritisch. Der Feind sei überall stärker, als die eigenen Truppen und überdies sehr entwickelt

Next

/
Oldalképek
Tartalom