Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778—1779. 15 und kühn. Es werde viel Mühe und Anstrengungen kosten, ihm gegenüber sich zu behaupten, und sollte dies nicht gelingen, so müsste man sich entschliessen, Böhmen preiszugehen. Am 12. Juli sieht der Kaiser die Verhältnisse klarer und gewinnt eine andere Anschauung von der Machtstärke und den Operationszielen des Gegners: „Friedrich II. könne,“ schreibt der kaiserliche Oberfeldherr an seine erlauchte Mutter, „in seiner Lage nicht lange verbleiben, da seiner Armee absolut Alles mangele; er müsse daher in einigen Tagen angreifen oder anders wohin marschiren. Das kaiserliche Heer bereite sich auf alle Eventualitäten vor.“ Am 13. Juli macht Josef II. bekannt, sein königlicher Gegner beginne bereits Truppen über Glatz nach Mähren oder nach der Lausitz zu detachiren, woraus zu scliliessen sei, dass der mit Sehnsucht erwartete Angriff nicht stattfinden, sondern dass der Feind auf das Manövriren sich beschränken würde. Von preussischer Seite träfen täglich 20 bis 30 Deserteure im Lager der Kaiserlichen ein, die sich über Noth beklagen. Man müsse Alles aufbieten, die Armee vollzählig zu erhalten. Wenn Österreich ausharren und drei Feldzüge hintereinander führen könnte, würde der König von Preussen zu Grunde gerichtet werden, denn sein Land müsste sich ganz entvölkern. Er habe jetzt schon Alles — Alt, Jung, Gebrechlich, Gross und Klein — zum Kriegsdienste herangezogen, und unter seinen Überläufern befänden sich Leute, die in der k. k. Armee für die Stabstruppen nicht tauglich wären. Angesichts der zuvor auseinandergesetzten Verhältnisse und der Stärke der österreichischen Streitkräfte stellte Friedrich II. die weiteren Versuche ein, mittelst Unternehmungen und Manöver dieselben aus ihrer festen Stellung zu verdrängen und zur Annahme einer Schlacht unter günstigen Bedingungen für ihn zu zwingen. Er beschloss nun, die Wirkungen des Anfangs August geplanten Einmarsches der II. preussischen Armee unter Prinz Heinrich abzuwarten, um neue, auf das gemeinsame Handeln der beiden Streitmassen beruhende Combi- nationen und Entwürfe zu ersinnen und in’s Werk zu setzen. Operationen in Böhmen zwischen der Elbe und Iser. In Ausführung des Feldzugsplanes hatte Mitte August der Prinz Heinrich an der Grenze Böhmens mehrere Bewegungen und Demonstrationen angeordnet, welche die Österreicher über seine wahren Absichten täuschen sollten. Mit vielem Geräusche steckten preussische Genie-Officiere bei Bautzen ein Lager für 100.000 Mann ab und recognoscirten sämmtliche aus Sachsen über Marienberg, Zöblitz,