Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

132 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. ihren Staaten begegnet man Spuren ihrer segensreichen Regierung, und Maria Theresia’s grosser und edler Geist wirkt noch jetzt in Österreich schaffend fort. Die Bewunderung der Zeitgenossen, die Hochachtung der Feinde, die begeisterte Liebe der Unterthanen begleiteten Maria Theresia auf ihrer segensreichen Bahn, und die Thränen von Millionen folgten der letzten Tochter Habsburgs in die Gruft ihrer Ahnen. „Eine Frau führte Entwürfe aus, die eines Mannes würdig.“ Dieses Urtheil Friedrich II. über Maria Theresia war hauptsächlich wegen ihrer Bemühungen um die Reorganisation der bewaffneten Macht gefällt worden. Nur zu gut begriff die grosse Kaiserin die ganze Be­deutung von Prinz Eugen’s inhaltsschwerem Rathe, die Nothwendigkeit, ein tüchtiges, waffengeübtes Heer zur Vertheidigung der Würde ihrer Monarchie, zur Behauptung der Machtstellung Österreichs zu besitzen. Indem sie auf dieses Ziel mit äusserster Kraftanstrengung hinarbeitete, war die Mutter der Soldaten — „mater castrorum“ nannte sie die Inschrift einer Münze — die eigentliche Begründerin der militärischen Institu­tionen und der Waffenmacht der Monarchie. Das Heer, welches bei ihrer Thronbesteigung kaum 50.000 Mann gezählt hatte, war bei ihrem Hinscheiden über 300.000 Mann stark. Kaiser Josef war nach dem Tode Maria Theresia’s Allein­herrscher in der österreichischen Monarchie geworden. Schon zu Leb­zeiten seiner Mutter hatte er die Hinfälligkeit des im Jahre 1756 mit Frankreich geschlossenen, im bayerischen Erbfolgekriege stark ge­lockerten Bündnisses tief empfunden, die Gemeinschaft der Interessen zwischen Österreich und Russland im Orient aber so richtig erkannt, dass er gleich nach dem Friedensschlüsse von Teschen die Initiative zur Anbahnung einer Allianz mit der nordischen Grossmacht ergriff. Dieses Bündniss war von dem grossen Staatskanzler, dem Fürsten Kaunitz, seit dem Jahre 1749 wiederholt als die allein richtige Politik Österreichs hingestellt worden. Zu der nämlichen Zeit hatte Friedrich II. alle erdenkliche Mühe sich gegeben, den vorwiegenden Einfluss Preussens am Petersburger Hofe zu erhalten. Vor allem Anderen glaubte er die Kaiserin Katharina über den Stand und innern Zusammenhang der deutschen Angelegen­heiten mittelst eines bereits erwähnten Memoires von Ende 1779 aufzu­klären, in welchem er den Nachweis zu führen suchte, wie höchst gefähr­lich der übergreifende Einfluss des Hauses Österreich im deutschen Reiche nicht nur für selbes, sondern überhaupt für ganz Europa sei. Nicht allein die drei geistlichen Kurfürsten und der Kurfürst von Pfalz-Bayern, son­dern noch viele andere Fürsten und Stände seien dem österreichischen Machteinflussg so ganz unterworfen, dass sie alle Absichten des Wiener Hofes mit blindem Eifer förderten. Die durch ein derartiges Verhältniss heraufbeschworene Gefahr könnte noch abgewendet und Österreich in

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