Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1882)

Die erste Belagerung Wien's durch die Türken im Jahre 1529

Erhaltung seiner Vertheidigungsfähigkeit über Nacht ein neues hölzernes Bollwerk geschaffen werden. Durch ununterbrochene Regengüsse, Stürme und ungewöhnliche Nachtfröste, welche in den letzten Tagen eingetreten waren, litten die empfindlichen Morgenländer ungemein, so dass sich schon Lagerkrank­heiten zeigten. Am 4. und 5. October beunruhigten die Türken die Belagerten dermassen, dass diese unausgesetzt in voller Kampfbereitschaft am Walle blieben und jeden Moment einen Sturm gewärtigten. Graf Salm entschloss sich, um den Übermuth der Türken zu dämpfen und die Belagerungsarbeiten zu stören, zu einem Ausfälle, der am 6. Octo­ber Früh mit 8000 Mann unter Pfalzgraf Philipp in’s Werk gesetzt wurde. Nach dem wohl berathenen Plane sollten die Ausfallenden in der Nacht beim Salzthurme ausbrechen, und theils im Graben, theils im bedeckten Wege gegen das Burg- und Kärntnerthor hinziehen, während ein Fähnlein über St. Ulrich und das Kloster der Barfüsser (heute Mechitaristen) den Janitscharen, welche mittlerweile in der Front angegriffen wurden, in den Rücken fallen musste. Allein die Ausführung verspätete sich; bevor das Burgthor erreicht war, brach der helle Tag an und die rasch alarmirten Türken zogen von allen Seiten Verstärkungen an sich. Trotzdem hatten die Ausfallenden fast die grosse Batterie vor dem Kärntnerthorc erreicht, als das feige Geschrei eines böhmischen Knechtes plötzlich eine grosse Panik hervorrief und sich Alles trotz des heldenmüthigen Beispiels des hiebei gefallenen Hauptmanns Wolfgang Hagen und dem begeistern­den Zurufe der auf dem Walle stehenden Besatzung zur Flucht wandte, wobei Viele in ihrer Hast in den tiefen Stadtgraben stürzten. Soliman war selbst zu Pferde gestiegen, um mit 18.000 Reitern den Fliehenden den Rückzug abzuschneiden, kam aber zu spät. Der missglückte Ausfall kostete 500 Mann das Leben, doch büssten auch die Türken 300 Mann dabei ein. Gegen Mittag desselben Tages häuften die Türken beim Stadt­graben Holz, Reisig und Rebenbündel an, welche von Kameelen herbei­geschleppt wurden. Die einen Sturm gewärtigende Besatzung blieb bis nächsten Tag unter den Waffen und war in der Früh des 7. October kaum wieder in ihre Quartiere abgerückt, als eine grosse Mine gegen­über dem Kloster St. Clara (heutiges Bürgerspital) sprang, welche die Mauer auf eine Länge von 23m zerstörte. Allein die Türken unterliessen den Sturm, weil sie selbst einen Ausfall besorgten; Soliman und alle Paschas, sowie die Cavallerie blieben sogar die ganze Nacht vom 8. auf den 9. zu Pferde. Auf ein beim Schottenthore neu errichtetes Bollwerk wurden zwei Kanonen gebracht, welche im Lager des Beg von Semendria bedeu­tenden Schaden anrichteten.

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