Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)
Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - II. Der Feldzug von 1737
336 Der Krieg mit der Pforte 1736—39. ich zweifle aber stark, dass wir uns souteniren und nicht üble Folgen daraus entstehen möchten, und kann ich nicht leugnen, dass das Project, auf Fissá Anfangs zu gehen, mir mehr profitable für die Generale als für Ihro Majestät vorkömmt; ja, ich wollte schier was Rechtes darauf verwetten, dass, nachdem einige Ravage würde geschehen sein und Ein und Anderer seinen Beutel gespickt haben würde, die Armee über Hals und Kopf werde zurücklaufen müssen“ ’). Wie sehr das bessere Gefühl sich auch dagegen auflehnen mag, so kann man doch nur in diesen, so rücksichtslos aufgedeckten Zuständen den Schlüssel zu den unvermittelten Sprüngen der Operationen in Sei'bien finden. In der That betreffen von den 18 gegen Seckendorf gerichtlich erhobenen Anklagepunkten 9 die bereits erwähnte „landesberufene Eigennützigkeit“ des Obercommandanten der kaiserlichen Armee, und soweit die vorhandenen Untersuchungs-Acten reichen, ist ihm eine vollgiltige Widerlegung nicht gelungen* 2). Gleichwohl erhoben sich unmittelbar nach der Abberufung Seckendorfs Stimmen, die ihn als ein Opfer von Intriguen und Hof- cabalen hinzustellen suchten. Welch’ hohen Werth aber der Kaiser darauf legte, dass eben in dieser Hinsicht jeder Zweifel behoben werde, geht daraus hervor, dass er, abweichend von den damals so streng beobachteten Formen, in einem besonderen Rescripte vom 23. November 1737 die kaiserlichen Gesandten an den europäischen Höfen über das Verhalten Seckendorfs auf klären liess und sie beauftragte, dem Gerüchte entgegenzutreten, „dass Hass und Missgunst, welche sich der Graf Seckendorf sowohl wegen der Religion, zu welcher er sich bekennt, als qua Fremder zugezogen, an dem ihn betroffenen Unglücke weit mehr als sein eigenes Verschulden Theil seie“ 3). Es bedarf auch gewiss keiner ausserhalb liegenden Gründe, um das Vorgehen gegen Seckendorf zu rechtfertigen. Seine Thätigkeit als Obercommandant der kaiserlichen Armee richtet sich selbst. Im Besitze mehr als ausreichender Kräfte zersplittert er dieselben in nutzlosen Detachirungen und reibt sie durch die Mühsale übertriebener Marschleistungen auf, die eine natürliche Folge seiner stets wechselnden Pläne sind. Statt nach Widdin, wendet er sich gleich anfangs nach Nissa, von dort gegen Widdin, um eben so rasch die Operationen an die Drina zu verlegen. Keine dieser Operationen war entsprechend vorbereitet; die Truppen litten unsäglichen Mangel, obwohl alle Landstriche, welche sie durchzogen, fast bis aufs Mark *) Kriegs-Archiv 1737; Fase. I. 3*/t. 2) Selbst in der „Lebensgeschichte des Grafen Schmettau etc.“, Berlin 1806, deren Verfasser sehr entschieden für Seckendorf Partei nimmt, werden geradezu vernichtende Details in dieser Hinsicht angeführt. 3) Kriegs-Archiv; Fase. XI ex 1737.