Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)

Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - I. Die Ereignisse im Jahre 1736

I. Die Ereignisse im Jahre 1736. 259 pflichte, mit einer Armee von mindestens der tractatmässigen Stärke den Türken in den Rücken zu fallen, wenn diese ihre Hauptmacht gegen Österreich wenden sollten, erforderlichen Falls auch die russische mit der kaiserlichen Armee zu vereinigen. Auch die Verhältnisse auf dem russischen Kriegsschauplätze trugen dazu hei, die Entschlüsse des Kaisers zu beeinflussen. Aller­dings war der Rückmarsch der Russen von Baktschi-Sarai nach Perekop gegen Ende Juli auch in Wien schon bekannt, allein Graf Ostermann säumte nicht, diese retrograde Bewegung als eine, im Voraus berechnete strategische Combination erscheinen und in Wien officiell versichern zu lassen, Feldmarschall Mtinnich strebe nur die Vereinigung mit der Armee Lacy’s an und werde sonach die Operationen zuverlässig bis 1. August wieder aufnehmen. Da gleichzeitig dafür gesorgt war, dass keine wahren Nach­richten über den Stand der Armee den Bannkreis der russischen Gewalt überschritten, so war man in Wien nicht in der Lage, über den reellen Werth dieser Versicherungen sich ein Urtheil zu bilden '). Als Folge dieser Umstände übergab Graf Ostein gegen Mitte August in Petersburg nebst einer Depesche, in welcher die russischen Bedenken und Anschuldigungen widerlegt wurden, gleichzeitig auch einen den russischen Wünschen besser accommodirten Entwurf eines gemeinsamen Operations-Planes, den man jedoch diesmal den Titel „Operations-Project“ führen liess. Derselbe enthielt in 15 Punkten eine Art Regulative für das Verhalten beider Alliirten und spricht die Hoffnung aus, dass der Kaiser, „überzeugt von der Loyalität der Kaiserin, und dass sie ihren Alliirten weder im Stiche lassen, noch ohne ihn Frieden schliessen werde“, die Operationen noch im Laufe des Herbstes werde beginnen können. Gegenüber den Forderungen Russlands beanspruchte der Kaiser Bosnien und Albanien bis an den Golf von Lodrin (Golfo di lo Drin, Drin-Mündung, südlich Scutari bei Cap Rodoni), sowie die Ausdeh­nung der kaiserlichen Grenze in der Walachei bis Braila, in der Moldau bis an den Pruth. Beide Theile garantiren sich gegenseitig die hier erwähnten Resultate des Krieges und erklären sie als Grundbedingung aller künftigen, stets nur gemeinsam abzuschliessenden Friedensver- handluugen, so wie sie sich auch verpflichten, sich gegenseitig mit 30.000 Mann zu unterstützen, falls sich die gesammte türkische Haupt­macht gegen einen oder den anderen der Alliirten wenden sollte. Die beiderseitigen Generale haben daher in stetem Einvernehmen zu ') In dem Hauptberichte des Obersten v. Bärnklau, ddö. Kaséban, 11. No­vember 1736, an den Feldmarschall Grafen Königsegg in Wien, motivirt derselbe das Ausbleiben seiner Berichte aus der Krim durch die Unsicherheit der Strassen und sagt ferner: „Wenn ich Alles berichtet, was eigentlich beider russischen Armee passirt ist, so wären meine Brief supprimiret worden.“

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