Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)

Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - I. Die Ereignisse im Jahre 1736

254 Dei- Krieg mit der Pforte 1736—39. dadurch nicht nur einen Ersatz für die jüngsten Territorial-Verluste in Italien, sondern zugleich auch eine günstige Position für einen eventuellen Krieg mit Neapel zu gewinnen; ausserdem aber konnte die politisch so hochwichtige Erwerbung der Moldau und Walachei nur auf diesem Wege mit Aussicht auf Erfolg angestrebt werden. So bedeutenden Vortheilen gegenüber siegte die Staatsraison und man schloss sich endlich willig den Anschauungen Russlands an, welche die Türken als den angreifenden Theil bezeichneten, da deren Grenzverletzungen schon Jahre andauerten und Russland vergebens bemüht gewesen sei, dieselben durch gütliche Mittel zu enden; — weil ferner der Marsch der’ Tataren durch russisches Gebiet ungeachtet aller Abmahnungen und Proteste Russlands mit Wissen und Einwilli­gung der Pforte geschehen, diese aber ausser der Bestrafung und Absetzung des Khans keine andere Genugthuung leisten wollte. Principled zur Theilnahme an dem russisch-türkischen Kriege entschlossen, handelte es sich nunmehr darum, zu entscheiden, in welcher Weise den Verpflichtungen, welche aus der Anerkennung des casus foederis entsprangen, nachzukommen sei. Der Vertrag von 1726 iiberliess es dem Gutbefinden des Kaisers, entweder ein Hilfscorps von 30.000 Mann zur russischen Armee stossen zu lassen, wo es dann unter dem Oberbefehle Münnich’s bei den Operationen mitzuwirken hätte, oder Carl VI. konnte mit einer numerisch grösseren Streitkraft, eventuell mit seiner ganzen Armee selbständig in Action tretend, der Pforte den Krieg erklären. Russischerseits scheint man das Auxiliär-Verhältniss vorgezogen zu haben. Das mit Bezug auf die volle Kraftentfaltung des Alliirten ganz unzeitgemässe Provociren der Feindseligkeiten mit der Pforte, das unausgesetzte Drängen nach Erfüllung der Vertragsverbindlich- keiten zu einer Zeit, wo Carl VI. noch am Rhein und in Italien engagirt war, spricht im Vereine mit den Andeutungen in den Berichten der kaiserlichen Gesandten in Petersburg und Constantinopel überzeugend für das Streben Russlands, Österreich die Aufnahme einer selbstän­digen Action unmöglich zu machen und es auf die Beistellung eines Hilfscorps zu beschränken. Die Motive, welche Russland hiebei leiteten, liegen nahe. Abge­sehen von dem operativen Werthe eines so starken Corps kriegs­geübter Truppen, dessen inferiore Stellung bei der russischen Armee überdies noch eine weitgehende Ausnützung erlaubte, brauchte Russ­land bei einem eventuellen Friedensschlüsse weit weniger Rücksicht auf den Alliirten zu nehmen, der blos ein Hilfscorps gestellt hatte und vielleicht selbst dieser Verpflichtung nicht ihrem vollen Umfange nach zu genügen in der Lage war, da seine Kräfte am Rhein und in Italien gebunden waren.

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