Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)

Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - I. Die Ereignisse im Jahre 1736

I. Die Ereignisse im Jahre 1736. 255 In Wien war man síeli dieser Verhältnisse wohl bewusst; die richtige Beurtheilung der weitreichenden Folgen, die aus der Politik Russlands für Österreich entspringen konnten, Avar seinerzeit sicher nicht das geringste unter den Motiven, die Carl VI. veranlassten, den Vor­stellungen des Prinzen Eugen nachzugeben und den Präliminar-Frieden mit Frankreich abzuscldiessen. Nun, wo die Frage über die Art der Ausführung der Vertrags­verbindlichkeiten unmittelbar zu lösen Avar, bevoiuvortete der Hofkriegs- ratli die selbständige Theilnahme an der Action, da die Absendung eines Auxiliär-Corps Ungarn vollständig entblössen würde und von der Pforte als casus belli angesehen werden könnte, dessen Conse- quonzen man dann seinem ganzen Umfange nach tragen müsste, ohne beim Friedensschlüsse das Recht des eigentlich Kriegführenden in Anspruch nehmen zu körnen. Es sprachen ferner auch noch politische Gründe dafür, den Kriog mit solcher Übermacht zu beginnen, dass er spätestens im Jahre 1737 zu Ende geführt werden könne. Frankreich war allerdings in Folge der Wiener Präliminarien zunächst nicht zu fürchten und hatte auch gar keinen Grund, sich der Türkei thätig anzunehmen, allein es konnte, hauptsächlich wenn Cardinal Fleury inzAvischen sterben sollte, das voraussichtliche Erlöschen des Pfalz-Neuburg’schen Mannsstammes Anlass zu neuen Conflicten Averden; für den Kaiser aber konnte es nichts Misslicheres geben als einen langAvierigen Türken krieg, während welchem sich europäische Verwicklungen zutrugen. Was die Mittel zum Kriege betraf, so erklärte die Hofkammer, dass „ungeachtet des Verlustes von Neapel und Sicilien der Fundus noch genug ergiebig sei, um das Geld ohne besondere Sorgen auf­treiben zu können“; es handelte sich sonach nur darum, ob die in Italien und am Rhein stehenden kaiserlichen Truppen ohne Preis- gebixng der Interessen des Kaisers nach Ungarn gezogen Averden konnten. Auch dies erschien im Lichte der, von dem Zusammengehen mit Russland erhofften Vorth eile, weniger schwierig als bisher. Mit Frankreich, Avelches durch den Krieg nicht minder erschöpft war als sein Gegner, fand man sich durch das Zugeständniss der unver- Avcilten Abtretung Lothringens ab, so dass mit Ausnahme schwacher Besatzungen in den Niederlanden und den deutschen festen Plätzen die ganze kaiserliche Armee im Reiche für Ungarn disponibel wurde. Anders standen die Sachen in Italien, wo sehr zu besorgen war, dass Spanien einen Krieg des Kaisers benützen Avürde, um sich der Vollziehung des Wiener Friedens zu widersetzen oder die Heirat Don Carlos’ mit Carl VI. zweiten Tochter zu erzwingen. Indess Avar man überzeugt, dass auch dort 40.000 Mann genügen würden, um sich in der Defensive zu behaupten, mithin der übrige Theil der Armee für die Operationen an der Donau verwendet Averden könne.

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