Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Vorgeschichte. 39 Das St. Petersburger Cabinet machte inzwischen den Versuch, durch Sendung des Grafen Ignatieff nach Wien das k. u. k. Mini­sterium des Aeussern zu einer einseitigen Abmachung mit Russland zu bewegen. Graf Andrássy beharrte jedoch auf seiner früheren Anschauung, dass alle die europäischen Interessen berührenden Stipu­lationen in einem Congresse discutirt werden und dass Europa darüber entscheide. Mit Ende Mai waren erst alle Meinungsverschiedenheiten geklärt und behoben, und die Mächte erklärten sodann in Uebereinstimmung, dass am 13. Juni ein europäischer Congress in Berlin zusammenzu­treten habe, an welchem die leitenden Minister participiren sollten. Bevor die Bevollmächtigten Sr. Majestät des Kaisers und Königs nach der preussischen Hauptstadt abreisten, stellte der k. u. k. Minister des Aeussern, indem die Möglichkeit nicht ausgeschlossen blieb, die gemeinsame Regierung könnte genöthigt werden, zur Wahrung der Interessen der österreichisch - ungarischen Monarchie ausserordentliche Massregeln zu ergreifen, an die Delegationen das Ansuchen um die Bewilligung eines Credits von 60 Millionen Gulden, welcher auch zugestanden wurde. In der Congress-Sitzung vom 28. Juni machten die k. u. k. Be­vollmächtigten bei der Discussion des Artikel XIV des Präliminar- Friedensvertrages von San Stefano, betreffend Bosnien und die Herce­govina, dem Congresse folgende Mittheilung: „Alle Regierungen sind einverstanden in der Anerkennung, dass Oesterreich-Ungarn in seiner Eigenschaft als Grenzmacht mehr als jede andere Macht bei der Regelung der Dinge in Bosnien und der Hercegovina interessirt ist. Die Kriegführenden haben diesem Gesichts­punkte Rechnung getragen, indem sie durch den Artikel XIV des vorläufigen Friedens-Tractates dem Einverständnisse mit Oesterreich- Ungarn die endgültige Lösung der Frage Vorbehalten haben. Indem sie die Einwürfe gegen den vorgenannten Artikel, welche aus der Besonder­heit der Interessen Oesterreich-Ungarns hervorgehen, präcisiren, glauben die Bevollmächtigten Sr. k. u. k. Majestät sich verpflichtet, hervor­zuheben, dass die bosnisch-hercegovinische Frage, wenn sie auch Oester­reich-Ungarn näher angeht, doch nicht aufhört, eine wesentlich euro­päische Frage zu sein.“ „Man kann nicht aus den Augen verlieren, dass die Bewegung, welche zum Kriege im Orient geführt hat, ihren Ursprung in Bosnien und der Hercegovina hatte. Die Uebel und Gefahren, welche daraus für Europa hervorgegangen, sind bekannt; Oesterreich-Ungarn ist davon in erster Linie berührt worden.“ „Die beträchtliche Anzahl von Truppen, welche an unseren Grenzen aufgestaffelt waren, hat nicht hingereicht, um den Durchzug der Aufständischen und gegenseitige Einfälle zu hindern. Die türkischen Streitkräfte in Bosnien waren bei Beginn der Unruhen nicht im Stande, so zahlreich sie auch waren, dem dauernden Aufstande und der Auswanderung ein Ende zu machen. Mehr als 200.000 Menschen haben solcherweise ihre Heimstätte verlassen. Seit drei Jahren hat die

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