Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 2. (1877)
Beiträge zur vaterländischen Geschichte. I. Major Moriz Edlen v. Angeli: Der Friede von Vasvár. Nach den Original-Acten der k. k. Archive
Der Friede von Vasvár. 19 Die Ursachen des Friedensschlusses. Jeder Friede ist entweder das logische Resultat jener Vortheile, welche der eine Theil über den anderen errungen hat, und wodurch er ihn zwingt, sich dem Willen des Siegers zu fügen, — oder er entspringt, auch ohne dass sich die Wagschale zu Gunsten eines der Kämpfenden neigte, der beiderseitigen Erschöpfung; endlich auch politischen und anderen Rücksichten, welche geeignet sind, beiden Theilen die Beendigung des Kampfes gewinnbringender erscheinen zu lassen, als dessen weitere Fortführung. Die erste Bedingung, Frieden zu schliessen, gründet sich also auf den Erfolg der Operationen, und hier muss die vorurtheilsfreie Prüfung zu dem Resultate kommen, dass für die kaiserliche Armee keine jener Voraussetzungen eintraf, welche es möglich gemacht hätten, dem Feinde das Gesetz vorzuschreiben. Die ganze Zusammensetzung der osmanischen Heere bringt es mit sich, dass bei ihnen eine verlorne Hauptschlacht fast gleichbedeutend mit gänzlicher Vernichtung ist; die Schlachten bei Wien, Mohács, Szlankamen, Zenta beweisen dies zur Genüge. Wäre also der Sieg bei St. Gotthard ein so vollständiger gewesen wie jene, und hätte sich die kaiserliche Armee in der Lage befunden, denselben derart auszunützen, dass der Feind in Auflösung gegen die Drau floh, so konnte sie sich dann gegen die Donau wenden und im Vereine mit dem Corps de Souches schon damals mindestens einen Theil jener Vortheile erringen, welche 20 Jahre später der Herzog von Lothringen erfocht. Aber es mangelte der kaiserlichen Armee an Kraft, den Feind auch nur einen Fuss breit über die Raab zu verfolgen, jenseits welcher derselbe bis zum 4. August unbehelligt in seinem Lager stand. Sowohl der Mangel an Munition, als auch die peremptorische Forderung der Alliirten nach längerer Ruhe lähmten jede Bewegung, trotzdem, den rein strategischen Verhältnissen nach, eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit des Gelingens angenommen werden konnte. Der Grossvezier fühlte vollkommen die Niederlage, welche er erlitten; die anfängliche Bewegung gegen Szala-Egerszeg deutet darauf hin, und Kundschaftsberichte bestätigen es, dass er sich schon mit dem Gedanken eines vollständigen Rückzuges gegen Esseg vertrauf gemacht hatte. Erst die, um diese Zeit im türkischen Lager eingetroffene Nachricht, dass sich der Sultan im nächsten Jahre persönlich an die Spitze des Heeres stellen werde *), mochte den ehrgeizigen jungen Grossvezier veranlasst haben, mit den zu gleicher Zeit angelangten Verstärkungen von 12—14.000 Mann die Operationen wieder aufzunehmen, wozu ihn die gänzliche Regunglosigkeit seines Gegners förmlich einlud. Trotzdem aber wagte er noch immer nicht den *) Reninger’s Bericht. K. k. Haus-, Hof- und Staats-Archiv, 1664. 2*