Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 1. (1876)
Die Schlacht von Königgrätz
20 Die Schlacht von Königgrätz. Nach Durchsicht dieses Vorwortes ist man von dem Zweifel nicht frei, ob das in Leipzig erschienene Buch eine Privat-Unternehmung oder aber eine halbofficielle Schrift ist. Dieser Zweifel und die Stellung des Autors verleihen dem Werke einen ernsteren Hintergrund, und wollte man es auch seiner patriotischen Richtung und seines wissenschaftlichen Inhaltes wegen unangefochten lassen, so muss man sich doch gegen die darin vorkommenden zahlreichen Anschuldigungen und Irrthümer verwahren und selbe zu berichtigen suchen, damit sie durch Stillschweigen von unserer Seite nicht an Glaubwürdigkeit gewinnen und so zu einem geschichtlichen Dogma werden. Mit Bedauern müssen wir es gleich im Eingänge constatiren, dass das Jähns’sche Buch, ungeachtet seiner Vorrede, in einem Österreich keineswegs freundlichen Tone abgefasst ist. Durch Auffrischung von Reminiscenzen, welche die zehnjährige kriegsgeschichtliche Procedur abgethan hat, durch die Glorificirung des eigenen Heeres auf Kosten der österreichischen Waffenehre, durch leidenschaftliche, mitunter bis zur Gehässigkeit sich steigernde Invectiven gegen die k. k. Armee, die weder zu begründen noch zu erweisen sind, erhält das Buch ein eigenes Gepräge und bekundet, dass die alte 100jährige Rivalität zwischen Österreich und Preussen noch fortbesteht und durch derlei Publicationen von Neuem Nahrung erhält. Zwischen Erzeugnissen, die kurz nach den Ereignissen, also zur Zeit der gegenseitigen Verbitterung niedergeschrieben und veröffentlicht, und zwischen Schriften, die nach 10 Jahren auf Grund der gesammten einschlägigen Kriegsliteratur verfasst wurden, sollte doch ein Unterschied herrschen. Während einer so langen Zeit wie die, welche uns von König- grätz trennt, hätte der Verfasser wohl Müsse gehabt, die Kriegsliteratur über Königgrätz sorgfältig zu sichten und nur dasjenige zu benützen, was auf Glaubwürdigkeit Anspruch erheben kann. Er durfte aber nicht die durch officielle Werke des österreichischen und preussischen Generalstabes actenmässig festgestellten Thatsachen umstossen, um dafür eine Polemik mit den österreichischen Schriften aus der Verbitterungs- Periode zu führen, diejenigen davon vorzugsweise zu verwerthen, die über das k. k. Heer wenig Gutes zu sagen wissen, die andern aber, welche dessen Thaten hervorheben, der Unrichtigkeit und Überschwänglichkeit zu zeihen. Wir begegnen in der Darstellung „Jähns’“ einer literarischen Ausnahme, indem darin mit Hintansetzung officieller Geschichtswerke die Aufzeichnungen von Soldaten, Unterofficieren, Einjährig- Freiwilligen, Pastoren, Predigern etc. aufgenommen erscheinen. Bekanntlich ist die Phantasie nirgends lebhafter und erregter als im Kampfgewühle, der Gesichtskreis nirgends beschränkter als auf dem Schlachtfelde. In solchen Lagen wirkt die Einbildungskraft