Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 1. (1876)
Die Schlacht von Königgrätz
Die Schlacht von Königgrätz. 21 so mächtig, dass oft auch wahrheitsliebende Männer und starke Charaktere etwas als Selbsterlebtes weitergeben, was sie vom Hörensagen und Erzählen im Biwak erfahren haben. Nicht allein wurden Schriften von diesen Augenzeugen, sondern auch Werke anderer Autoren sorgfältig verwerthet, von denen es notorisch ist, dass sie entweder mehr und minder gelungene Copien der über den Krieg zuerst erschienenen Schriften oder Zusammenstellungen aus tendentiösen Zeitungs - Correspondenzen, Privatbriefen und anderen nicht amtlichen Berichten etc. sind. Wenn man von derlei mit höchster Vorsicht zu gebrauchenden geistigen Erzeugnissen etwa fünf Percent verwerthet, so hat man Ausserordentliches geleistet und kann den Rest getrost bei Seite schaffen, da er ohnedies nur längst bekannte Thatsachen enthält oder unberechtigte Kritik übt. Die Benützung dieser Winkel-Literatur, welche die österreichische Kriegführung masslos verurtheilt, dem k. k. Soldaten die kriegerischen Eigenschaften und Tugenden abspricht, um die moralische und physische Inferiorität der österreichischen Armee gegenüber dem preussischen Heere zu constatiren, hätte füglich entweder ganz unterbleiben oder doch mit mehr Auswahl geschehen können. Ein solcher Vorgang würde den Waffenruhm des preussischen Heeres bei Königgrätz nicht verdunkelt, viel weniger noch die auf jenem Schlachtfelde erstrittenen militärischen und politischen Vortheile in Frage gestellt haben. Auch der populären Darstellung, welche captiviren und die Massen für die Grösse des am 3. Juli 1866 erkämpften Sieges empfänglich machen und begeistern sollte, hätte die Beseitigung einiger Schmähschriften über den Gegner keinen Abbruch gethan. Poetische Anwandlungen, von denen der Verfasser im Verlaufe seiner Arbeit oft befallen wurde, passen wenig zu dem Ernst der Geschichte, degradiren diese zum „Lesebuch für die reifere Jugend“ und entkleiden sie hiedurch ihres intensiven, sittlichen Werthes. Der in Jahrhunderte langen Kämpfen begründete Waffenruhm Österreichs lässt sich durch die Niederlage bei Königgrätz nicht cassiren. Eine Armee, welche noch so unglücklich gewesen, hat das Urtheil der Geschichte nicht zu scheuen, wenn sie, wie die k. k. Kriegsmacht, in einem und demselben Feldzuge neben einer verlorenen Hauptschlacht drei glänzende Siege, wie die von Custoza, Lissa und Trautenau trotz bedeutender Übermacht und mörderischer Wirkung der gegnerischen Waffe erfochten hat; wenn sie einen kühnen Flankenmarsch im Angesichte des feindlichen Heeres in einer unglaublich kurzen Zeit ausführt und den Gegner in seiner Concentrirungs-Bewegung überrascht; wenn sie endlich 32.000 Todte und Verwundete oder ‘/6 ihrer streitbaren Stärke auf dem Schlachtfelde lässt, während der Gegner nur eine Einbusse von ‘/84 an seinem Etat erleidet. Ein solches Heer kann eines Anwaltes zur Vertheidigung seines Missgeschickes entbehren,.