Zalai Múzeum 6. (Zalaegerszeg, 1996)
Kiss Attila: Die Ostrogoten in Pannonien (456–473) aus archäologischer Sicht
Die Osth rogoten in Pannonién (456-473) aus archaologischer Sicht 87 Kiss Attila: Die Osthrogoten in Pannonién (456^73) aus archaologischer Sicht Bei der Vernichtigung des Hunnenreiches (454/55) nach dem Tode Attilas mit seiner Ausdehnung von der Wolga bis zum Rhein kampften die Osthrogoten (Ostgoten) mit Teilen anderer germanischer Stamme und reiternomadischen Alanen an der Seite der Hunnen gegen eine Koalition iiberwiegend germanischer Stamme (gentes) unter Führung der Gépiden. ' „Als aber die Goten sahen, dali die Gépiden die Wohnsitze der Hunnen siegreich behaupteten, die Hunnen aber ihre eigenen alien Wohnsitze besetzten, zogen sie es vor. das römische Reich um Land zu bitten, statt mit eigener Gefahr in ein fremdes einzudringen, und bekammen Pannonién", so berichtet Jordanes in seiner wohl 551 in Konstantinopel verfaliten Gotengeschichte 2 und er fahrt vvenig spâter fort: „Die Osthrogoten [wohnten] in Pannonién unter dem König Walamir und seinen Briidern Thiudimer und Vidimer. wenn auch örtlich getrennt, so doch einige im Sinn - es sali namlich Walamir zwischen den Fliissen Scarniunga und Aqua nigra, Thiudimer am See Pelsois (iuxta lacum Pelsois = Plattensee/Balaton), Widimir zwischen den beiden anderen (inter utrosque). 3 Aufgrund von Jordanes und auch anderen antikén Autoren war und ist auch heute die Geschichtsforschung zurecht der Meinung, dali sich die Siedelgebiete der Osthrogoten innerhalb Pannoniens zwischen dem Plattensee (= lacus Pelsois) und der Draumiindung befanden (Süd-bzw. Siidostpannonien). 4 Die nahere prázise Ortsbestimmung ihres Siedelgebietes bereitet jedoch Schwierigkeiten wegen der Identifizierung der Fliisse Scarniunga und Aqua nigra mit heutigen Fliissen. Die gesicherte Lokalisierung der Wohnsitze der Osthrogoten ist somit abhângig einerseits von diesen geographischen Angaben in Schriftquellen zu bestimmten Teilen Pannonién (Plattenseegebiet und Südpannonien) und andererseits auch von den Moglichkeiten der Archaologie, ostgermanischen Fundstoff zeitlich prazise in dièse Jahre ostgotischer Pràsenz von 456-473 und diesen Raum eingrenzen zu können. Zwar bietet die Archaologie durch die Kenntnis der ostgotischen Hinterlassenschaft in Italien zwischen 489/493 und 552 eine grolie Hilfe; 5 dennoch wird die gesicherte archaologische Bestimmung des ostgotischen Siedlungsgebietes bzw. des ostgotischen Fundstoffes wâhrend des sog. pannonischen Ostgotenreiches durch zwei Umstande erschwert: zum einen ist es fiir die archâologische Forschung aulierordentlich schwierig, ja letztlich unmöglich, archáologisches Fundgut - wie es erforderlich ware - so prâzise auf nur 17 Jahre (456-473) zu datieren 6 und zum anderen enthalten die ostgermanischen Gràber, die ungefahr in diese Zeit und in diesen Raum gehören, auiier dem Trachtzubehör (siehe unten) wegen einer spezifischen Bestattungs-bzw. Beigabensitte in der Regel nur ausnahmsweise weitere Beigaben. die eine zusâtzliche Hilfe fiir die Datierung bieten köniiten. wie etwa Gefalie (aus Metall, Glas oder Ton); ebenso fehlen aus denselben Grundén auch Waffen und z. B. auch Pferdegeschirr in den Graber. ' Dies heilit somit daim auch: der ostgermanische bzw. dann ostgotische Fundstoff, . sofern er auch nur halbwegs gesichert in die Zeil des pannonischen Ostgotenreiches (456-473) datiert werden kann, ist auf Frauengraber und deren Trachtzubenör (Fibelpaar und Giirtelschnalle) und noch auf Schmuck begrenzt: die dazugehörigen Mannergraber sind wegen der fehlenden Waffenbeigabe regelhaft nicht gesichert nachweisbar. Diese durch die Beigabensitte eingeschrânkte Fundüberleiferung erhöht natiirlich die Fehlermögliclikeit in der chronologischen Fixierung jenes Fundstoffes. der fur die Ostgoten in Betracht kommen kann. Nicht nur dies: Zu dieser Schwierigkeit kommt noch hinzu. dali der Aufenthalt det Osthrogoten in Pannonién in eine Zeit falit, in der in weiten Teilen Siidosteuropas Ostgermanen ihre Verstorbenen in der Regel nur in Einzelgrabern oder in kleinen Grabgruppen mit nur wenigen Grábern (Familiensepulturen) bestatteten, die wohl meist einer Oberschicht mit einem iiberdies überregional uniformén, weil weitgehend gleich aussehenden Trachtzubehör angehörten, wogegen die Masse der Bevolkerung - der populus - archáologisch kaum bakannt ist. Gegenüber grolien Grâberfeldern sind die Auffmdungschancen soldier Einzelgraber und Grabgruppen natiirlich sehr viel schlechter, was somit die Quantitat der Quellenlage von vorneherein begrenzt; viele dieser kleinen Sepulturen werden zudem unerkannt zerstört oder konnten und können nicht